Hölzernes Rund für schnelle Skater

Die erste überdachte Inline-Arena Deutschlands kommt bunt und weiträumig daher. Die hölzerne Dachkonstruktion ruht auf nur vier Innenstützen. Ein ausgeklügeltes Tragsystem schafft auch große Dimensionen – das längste Bauteil misst 48 Meter –, wie das neue hölzerne Wahrzeichen in Geisingen zeigt.

Seit April 2010 hat die Stadt Geisingen im südlichen Baden-Württemberg ein neues Aushängeschild: die „arena geisingen“. Sie ist Deutschlands erste (und weltweit erst vierte) überdachte Anlage für den Inlinesport und bietet ideale Bedingungen für Freizeit, Wettkampf und Training.

Möglich wurde dieses Projekt durch den Mut des privaten Investorenehepaares Thomas und Sabine Uhrig. Die Idee entsprang einem Zufall, als ein Freund der Familie den Inlinesport für sich entdeckte und voller Leidenschaft davon berichtete. Da sei der Funke übergesprungen. Bald fanden die Investoren heraus, dass es in ganz Baden-Württemberg keine geeignete Bahn für diesen Sport gab und so entstand die millionenschwere Idee für den Bau der Arena.

 

Eine Überdachung musste her

Die Anlage sollte überdacht werden. Zum einen wollten die Investoren auf diese Art eine witterungsunabhängige Sportanlage schaffen, zum anderen aber auch komfortable Plätze für Zuschauer einrichten. Denn auch Weltmeisterschaften sollten künftig hier stattfinden. Deshalb wurde die Arena nach internationalen Standards und Reglements gebaut.

Für den Entwurf der etwa 7500 m² großen Sportanlage, die einem Amphitheater gleicht, zeigte sich das Architekturbüro Centraplan aus Kirchzarten verantwortlich. Die Arena sollte sich harmonisch in die Tallandschaft der Donau einbetten. Die Planungs- und Bauphase dauerte rund dreieinhalb Jahre.


Ausgeklügeltes Tragsystem der Dachkonstruktion

Ein Tragwerk aus BS-Holz-Trägern überdacht heute das etwa 125 m lange und 68 m breite Bauwerk wie ein Trägerrost auf Stützen. Um die Sichtverhältnisse der bis zu 3000 Zuschauer nicht zu beeinträchtigen, wünschte die Bauherrschaft neben den vielen Randstützen so wenig Innenstützen wie möglich. Ingenieur Jochen Hummel vom ausführenden Holzbauunternehmen Wiehag konnte zusammen mit seinem Kooperationspartner Klaus Werth vom Ingenieurbüro kw-holz aufgrund eines geschickt gewählten Tragsystems die Zahl auf vier begrenzen. Platziert wurden sie nahe der Ecken des Infields.

Das Dachtragwerk besteht im Wesentlichen aus zwei blockverklebten BS-Holz-Hauptträgern (b/h = 42 cm x 242 cm, GL28c), die im Abstand von 26 m auf je zwei eingespannten Innen- und Randstützen gabelgelagert aufliegen und den ellipsenförmigen Grundriss in Längsrichtung als Dreifeldträger überspannen, sowie aus senkrecht daran anschließenden bogenförmigen Querträgern (b/h = 16 cm x 213 cm, GL28c) .

Aus Produktions- und Transportgründen mussten die Hauptträger in drei Teile geteilt werden, was die Ausführung als Durchlaufträger mit Gerbergelenken (momentenfreie Anschlüsse), kurz: Gerberträger, nahe legte. Die Lage der Momenten-Nullpunkte im Mittelfeld und damit der Gelenke bestimmte natürlich auch die Teillängen der Hauptträger, die nicht den Feldweiten entsprechen. Unter Berücksichtigung der Feldweiten von 30 m – 45 m – 37,50 m ergab sich das längste Bauteil mit 48 m.

Damit die Hauptträger nach der Montage nicht durchhängen, wurden sie überhöht ausgeführt. Ihr Eigengewicht „zieht“ sie nach dem Einbau wieder in die Horizontale. Anders die 44 bogenförmigen, zwischen 14 und 25,50 m langen Querträger. Sie sorgen im Achsraster von 7,50 m dafür, dass das Dach eine flache Wölbung erhält – ähnlich einem Tonnendach.

Aus gestalterischen Gründen sind die Querträger fast so hoch wie die Längs- und die Hauptträger und schließen unterkantenbündig an sie an. Ihre Höhe wurde lediglich um die Dicke der Kasten-Elemente der Dacheindeckung reduziert, damit diese wiederum oberflächenbündig mit den Hauptträgern abschließen.

 

Die Planung der Dach-Elemente war eine Herausforderung

Die kurze Bauzeit von Mitte November bis Ende Januar erforderte eine weitgehende Vorfertigung (90 Prozent) des Daches. Der ovale Grundriss und der tonnendachförmige Hallenquerschnitt stellten die Statiker bei der Planung und Fertigung der Dach-Elemente vor eine ebenso große Herausforderung wie die 3D-Ausführungsplaner: Denn nicht nur die Dachfläche krümmt sich kontinuierlich über die Breite des Gebäudes, sondern auch das rundumlaufende Tageslichtband mit den Pfetten, die teilweise als Tragrippen in die geschlossenen Dach-Elemente hineinführen, musste in die Planung integriert und werkseitig vorgefertigt werden. So gibt es 146 verschiedenen Elementtypen bei 240 Dach-Elementen. Fast jedes Element ist ein Unikat. Die exakten Geometrien wurden aus dem 3D-CAD-Modell ermittelt und so für die CNC-Produktion vorbereitet. „Auf der Baustelle musste alles stimmen. Da gab es keine zweite Chance, etwas nachzubessern“, sagt Klaus Werth. Mit Hilfe eines Verlege- und Positionsplans fanden die Zimmerer dann auch immer die passenden Elemente für die richtige Stelle.

 

Dacheindeckung wirkt als aussteifende Scheibe

Die knapp 30 cm dicken Dach-Elemente mit Volldämmung, fertiger Dachhaut und Akustikprofilierung (Schichtenaufbau System Wiehag: EPDM-Bahn als Dachabdichtung, 22 mm OSB-Platte, 24 cm Dämmung/ KVH-Tragrippe, Dampfbremse, 25 mm OSB-Akustikplatte) wurden auf der Holzkonstruktion verlegt. Wiehag entwickelte speziell für die erhöhten Schallschutzanforderungen in der Arena eine Sonderprofilierung und ließ die Akustikplatten prüfen.

Die oberseitige OSB-Beplankung steht an den Stößen entweder über oder ist zurückgeschnitten, so dass sich beim Zusammenfügen ein Stufenfalz ergibt, über den die Elemente schubfest miteinander vernagelt und zu einer aussteifenden Scheibe verbunden werden können. Da das rundumlaufende Oberlicht keine durchgängige Scheibenausbildung erlaubt, übernehmen im Bereich des Lichtbandes Stahlauskreuzungen diese Aufgabe.

Für die Ausbildung der Scheibenwirkung in Längs- und Querrichtung spielte auch die versetzte Anordnung der Elemente eine Rolle. Die Planer wählten die Abmessungen und Positionierung der Dach-Elemente so, dass sie im Zusammenspiel die bestmögliche Scheibenwirkung entfalten können bei gleichzeitiger Beachtung der zulässigen Transportmaße. Dabei geriet die Entwicklung des Verlegeplans zu einem regelrechten Puzzlespiel.

So trägt das Dach einen wesentlichen Teil zur erforderlichen Gesamtsteifigkeit des Gebäudes bei. Eine wichtige Rolle spielen aber auch die Rand- und Innenstützen. Sie sind überwiegend eingespannt, jedoch auf eine bisher selten ausgeführte Art und Weise: Es handelt sich um Rammpfähle aus Stahlrohren, die bis zu 10 m weit ins Erdreich getrieben wurden, bis die erforderliche Tragfähigkeit gegeben war. Auf der gewünschten Stützenhöhe abgeschnitten, wurden die Stahlrohre dann mit Beton verfüllt. Die Kombination aus Dachscheiben, Stützen und biegesteifen Anschlüssen erreichte dann die notwendige Gesamtsteifigkeit des Gebäudes.

 

Randträger als Deckenauflager

Als Randauflager für die Dach-Elemente spannen BS-Holz-Träger von Randstütze zu Randstütze. Den Abschluss des über die Randträger überstehenden Daches bilden OSB-Schürzen. Entlang der Traufen der Längsseiten sind sie rechteckig zugeschnitten und auf die Stirnseiten der Dachrand-Elemente aufgeschraubt. Geometrisch komplex gestaltete sich der Zuschnitt der Plattenstreifen im Übergang beziehungsweise im Bereich der gebogenen Traufen an den Gebäude-„Schmalseiten“. Hier steigen die Traufen nicht nur an, sondern jede Stelle ist anders geneigt. Dank 3D-CAD ließen sich aber auch diese Plattengeometrien exakt bestimmen und fertigen. 


Summa summarum ...

Das Tragsystem besteht insgesamt aus etwa 600 m³ Brettschichtholz. Sie verteilen sich auf die beiden 125 m langen Hauptträger, 44 Bogenbinder und 16 einachsig gebogene Attikarandträger. Hinzu kommen 250 Pfetten im aufgekanteten, transluzenten Oberlichtbereich. Die Architekten wollten so viel natürliches Tageslicht wie möglich in die Arena holen. 2000 m² transparente Prokulitplatten und Oberlichter wurden dafür montiert.

Wiehag, Spezialist für weitgespannte Tragwerke aus Holz, hat die gesamte Dachkonstruktion in rund 14 Tagen produziert und anschließend vor Ort montiert. Da es sich um eine Winterbaustelle handelte, musste die Dachfläche schnell hergestellt und wetterfest gemacht werden. Das ließ sich mit den vorgefertigten Dach-Elementen einfach bewerkstelligen.

Das Dach kam in 42 Lkw-Ladungen. Davon drei Sondertransporte mit einer Transportlänge von 52,5 m und 74 Tonnen Gesamtgewicht. Rund 450 Kilometer hatten die Fahrer mit den überlangen und schweren Fahrzeugen zurückgelegt. Zwei Kräne hievten die Träger millimetergenau in die dafür vorgesehenen Auflager, dort wurden sie von den Monteuren justiert und verankert. 

„Das Bauwerk in dieser Form ist kostengünstiger optisch ansprechender und mit einem klaren Vorteil beim Brandschutz“, sagt Jochen Hummel. Denn Stahl verliere im Brandfall ja sehr schnell seine Tragfähigkeit. Deshalb seien die Stahlrohrstützen, die das Dach tragen, ja auch ausbetoniert. „Die Holzkonstruktion ist deshalb eine echt Alternative zum Stahlbau“, so sein Resümee.

 

Autorin


Susanne Jacob-Freitag ist Bauingenieurin und freie Journalistin. Sie berichtet vor allem über Themen aus dem Holzbaubereich.


So wenig Innenstützen wie nötig, um die Sicht nicht zu beeinträchtigen

„Die Holzkonstruktion ist eine echte Alternative zum Stahlbau“

Detailzeichnungen

Hier finden Sie die Detailzeichnungen der Tragkonstruktion als PDF zum Download.

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