Natursteinbeschichtungen

Fassadenbeschichtungen werden in der Regel aus gestalterischen Gründen gewählt, seltener aufgrund ihrer Funktion als Feuchtigkeitsschutz. In der Denkmalpflege sind zudem Reversibilität und Authentizität von Interesse. In Teil 3 unserer Naturstein-Serie vergleichen und bewerten wir diese Farbsysteme.

Kalk war vor dem 19. Jahrhundert das wichtigste Bindemittel für Fassadenbeschichtungen. Zur Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften und der häufig unzureichenden Witterungsstabilität „reiner“ Kalksysteme wurde Kalk schon früh mit organischen Zusätzen (zum Beispiel Quark, Blut, Leinöl) stabilisiert. Kalkfarben zeichnen sich aufgrund ihrer mineralischen Zusammensetzung durch eine einzigartige Brillanz aus. Als historisch belegtes Bindemittel erfüllt Kalk die denkmalpflegerischen Forderungen nach Authentizität und Reversibilität.

Aus technischer Sicht kann man konventionelle, aus Sumpfkalk hergestellte Kalkbeschichtungen, die häufig kreidende Oberflächen aufweisen, in aller Regel nur als Verschleiß- und Opferschichten mit sehr begrenzter Haltbarkeit betrachten. Darüber hinaus ist das Verarbeiten konventioneller Kalkfarben im Vergleich zu modernen Produkten umständlich und zeitaufwendig. So ist beispielsweise ein sorgfältiges und langes Vor- und Nachnässen der Flächen notwendig. Bis zu sechs Arbeitsgänge zum Herstellen optisch einwandfreier Oberflächen sind keine Seltenheit.

Dispergiertes Weißkalkhydrat

Seit einigen Jahren sind Kalkfarben auf dem Markt erhältlich, die sich einer modernen Technologie bei der Herstellung des Kalkbindemittels bedienen. Bei der Herstellung des so genannten „Dispergierten Weißkalkhydrats“ wird der gelöschte Kalk, statt ihn in Sumpfgruben reifen zu lassen, extrem fein zermahlen. Der so produzierte Kalk zeigt eine deutlich höhere Carbonatisierungsgeschwindigkeit und deutlich verbesserte technische Eigenschaften, wie höhere Haftzugfestigkeiten und Beständigkeiten (siehe Tabelle). Gleichzeitig lassen sich diese modernen Kalkfarben unaufwendig verarbeiten, da sie eine höhere Deckkraft als konventionelle Kalkfarben haben und zudem deutlich geringere Ansprüche an die Vor- und Nachbereitung stellen.

Trotz ihrer im Vergleich zu herkömmlichen Kalkfarben deutlich günstigeren technischen Eigenschaften besitzen Farben auf Basis von dispergiertem Weißkalkhydrat bei der Anwendung außen eher die Funktionalität einer Verschleißschicht als die einer echten Schutzschicht gegenüber Feuchtigkeit. Die Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse kann jedoch durch Zugabe von bis zu 3 Prozent Dispersion erheblich erhöht werden, ohne dass sich die feuchtetechnischen Kennwerte (w-Werte, sd-Werte) dadurch nachhaltig verändern.

Wasserglas  als Bindemittel

In Bezug auf die Witterungsbeständigkeit stellte der Einsatz von Wasserglas als Farbbindemittel ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen deutlichen Fortschritt dar. Aufgrund der hohen Reaktivität des Bindemittels waren diese Silikatfarben bis Mitte des 20. Jahrhunderts nur als zweikomponentige Systeme handhabbar. Das änderte sich erst mit (Kunststoff-)Dispersionen, die eine Stabilisierung als einkomponentige Wasserglasfarben (Dispersions-Silikatfarben) ermöglichten.

Für bestimmte Fragestellungen muss man streng zwischen der ein- und der zweikomponentigen Silikatfarbe unterscheiden: So kann der Handwerker dem denkmalpflegerischen Wunsch nach Authentizität in der Regel nur mit Rein-Silikatfarbe und bei Gebäuden, die nicht älter als 150 Jahre sind, nachkommen. Die von der Denkmalpflege gewünschte Reversibilität ist zudem mit keiner Silikatfarbe erreichbar, da das Wasserglas immer in die oberen Kornlagen des mineralischen Untergrundes einwandert und dort zum Kieselgel reagiert. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Verkieselung mit dem Untergrund.

Diese Verkieselung bedingt noch ein weiteres, häufig unterschätztes Problem: Da mit dem Abscheiden von Kieselgel ein Festigkeitsanstieg verbunden ist, besteht für den behandelten Untergrund die Gefahr einer Schalenbildung. Aus den Anfangsjahren der Wasserglasmalerei existiert daher die Empfehlung, Silikatfarben auf einen nur wenige Millimeter dicken, mageren Mörtel aus körnig-scharfem Quarzsand und Kalk aufzutragen. Mit dem Auftrag der Silikatfarbe erfährt dieser Malgrund einen Festigkeitszuwachs.

Die Entwicklung ungünstiger Festigkeitsprofile kann allerdings auch beim Auftrag von Silikatfarben auf einen Malgrund nicht ausgeschlossen werden: So ist beim Eintrag unpassender Wasserglasmengen die Entstehung von Schalenprofilen möglich, wie sie aus der Natursteinverwitterung bekannt sind. Grundsätzlich ist diese Gefahr heutzutage größer als früher, da in aller Regel kein Malgrund mehr verwendet wird; zudem wächst die Gefahr mit jeder weiteren Silikatfarben-Beschichtung.

Siliconharz-Emulsion

Die Entwicklung von Siliconharzfarben in den 1970er Jahren stellt einen Meilenstein in Bezug auf die Schutzfunktion von Beschichtungssystemen dar: Gemäß der „Fassadenschutz-Theorie“ von Künzel zeigen Beschichtungssysteme eine um so bessere Schutzwirkung gegenüber bauschädlicher Feuchte, je kleiner die Wasserdurchlässigkeitsrate w und je kleiner gleichzeitig der Diffusionswiderstand beziehungsweise die äquivalente Luftschichtdicke sd ist . Für ein optimales System nach Künzel gilt: w × sd ≤ 0,1 kg/(m × h0,5) mit w ≤ 0,2 kg/(m²√h) und sd ≤ 1,0 m.

Hochwertige Siliconharz-Farbsysteme mit einer niedrigen Wasserdurchlässigkeitsrate w < 0,1 kg/(m2 × h0,5) bei gleichzeitig hoher Wasserdampfdurchlässigkeit sd < 0,14 m in Bezug auf den Witterungsschutz bezeichnet man als optimal funktionsfähig. Der Zusatz „hochwertig“ ist notwendig, da Siliconharzfarben keiner Norm unterliegen und dementsprechend in sehr unterschiedliche Qualitäten angeboten werden.

Die genannten positiven Eigenschaften von Siliconharzfarben werden nur bei einer speziellen Formulierung erzielt. Dabei muss durch die Zugabe von Füllstoffen und Pigmenten der normalerweise in sich geschlossene Bindemittelfilm zusammenbrechen und an seine Stelle ein zusammenhängendes Porengefüge treten. Es entsteht eine mikroporöse Struktur. Der Füllgrad der Farbe, bei der dieser Wechsel in den Eigenschaften (wasserdampfdicht hin zu wasserdampfoffen) eintritt, wird Kritische Pigmentvolumenkonzentration (KPVK) genannt. Entsprechende Siliconharzfarben enthalten nur sehr wenig Bindemittel: rund 5 Prozent Dispersion und nochmal den gleichen Anteil an Siliconharz, das die durch die Füllstoffe geschaffenen Porenräume wasserabweisend ausgekleidet. Die übrigen 90 Prozent sind Füll- und Hilfsstoffe sowie Wasser. Siliconharzfarben sind selten authentisch, jedoch, sofern sie ohne Grundierung verwendet werden, voll reversibel.

Steinkonservierung am Kölner Dom

Da manche Natursteine zwar feuchteempfindlich sind, jedoch auf die Behandlung mit Hydrophobierungen kritisch reagieren, bieten sich hier als reversibler Schutz Siliconharzsysteme an. Eines der ersten Objekte, an dem auf diese Technik zurückgegriffen wurde, war der Kölner Dom.

1978 fanden hier erste Konservierungsversuche mit siliciumorganischen, farblosen Hydrophobierungen statt. Deren mangelnde Haltbarkeit auf dem zu konservierenden Muschelkalk führte 1994 zu Versuchen mit speziell rezeptierten Kalkfarbanstrichen, die bewusst als Opferschicht mit einer Haltbarkeit von rund 15 Jahren konzipiert waren. Der bereits nach einem Winter eingetretene Materialabtrag wurde jedoch eindeutig als zu hoch eingestuft. Prof. Dr. Rolf Snethlage stellte 1995 fest: „Reine Kalk- oder hydraulische Kalkschlämmen stellen ohne Hydrophobierung auf exponierten Bauteilen keinen ausreichenden Nässeschutz dar und weisen selbst eine zu geringe Dauerhaftigkeit auf. Stattdessen ist Oberflächenbeschichtungen der Vorzug zu geben, bei denen es sich je nach Anforderung um eine Schlämme (bis rund 5 mm), eine hochgefüllte Farbe (Siliconharzdispersionsfarbe) oder eine Farblasur handeln kann…“.

Dieser Philosophie folgend veranlasste der damaligen Kölner Dombaumeister Prof. Arnold Wolff nach Besichtigung einiger im Funcosil-Siliconharz-Farbsystem beschichteter Objekte die Beschichtung zweier Fialen im Siliconharzsystem. Eine Reinigung sowie eine festigende Grundierung mit Kieselsäureester gingen der Beschichtung voran. Nach einjähriger Standzeit der Fialen ohne erkennbare Alterungserscheinungen folgte die Fertigstellung eines Gesamtstrebewerks: Die Restauratorengemeinschaft Maul & Keller aus Köln führte die Untergrundkonsolidierung im KSE-Modul-System aus, und Mitarbeiter der Dombauhütte trugen die Beschichtung mit Siliconharz-Schlämmlasur auf. Dabei wurde das Material so eingestellt, dass es durch Auswahl entsprechender Pigmente den Charakter einer Kalkschlämme erhielt.

Folgeprojekte

Bei vielen der später behandelten Objekte wurde abweichend von den Vorgaben am Kölner Dom auf möglichst transparente Systeme zurückgegriffen. Dabei ist völlige Transparenz auf Grund des hohen Füllstoffanteils nicht erreichbar. Hoch diffusionsoffene Siliconharzfarben und -schlämmen haben immer einen „halbtransparenten“ Charakter, gegen den vorsichtig anpigmentiert werden muss.

In den vergangen zwei Jahrzehnten wurden viele bedeutende Bauwerke mit Siliconharz-Systemen gegen Verwitterung geschützt. Dabei wurden gesammelte Erfahrungen genutzt, um die Anpassungsfähigkeit des Schutzsystems an die Optik des Untergrunds zu optimieren.

Beispielhaft zu nennen sind hier die Arbeiten am Turmhelm des Konstanzer Münsters, wo als Weiterentwicklung mit unterschiedlichen, an das Farbspiel des Natursteins angepassten Nuancen gearbeitet wurde. Dabei wurde auch Natursteinmehle in die Rezeptierung einbezogen. Ähnliche Arbeitsweisen haben am Dom zu Münster, der Marienkirche in Heiligenstadt, der Pauluskirche in Hamm und der Bennokirche Meißen zu denkmalgerechten Ergebnissen geführt.

Unterschiedliche Bindemittelsysteme und ihre Eignung

Herkömmliche Kalkbeschichtung
Haftzugfestigkeiten max. 0,05 N/mm2
Gewichtsverlust nach 15 Frost-Tau-Wechseln meist 100 %
Gewichtsverlust nach 10 Salzsprengzyklen 100 % 


Dispergiertes Weißkalkhydrat
Haftzugfestigkeiten max. 0,55 N/mm2
Gewichtsverlust nach 15 Frost-Tau-Wechseln 3-15 %
Gewichtsverlust nach 10 Salzsprengzyklen 15-40 %

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