Perfekte Fugensanierung

Unsachgemäße Fugensanierungen richten mehr Schaden als Nutzen an. In einem dreiteiligen Beitrag dokumentieren wir in bauhandwerk an einem fiktiven Objekt die korrekte Vorgehensweise. Der erste Teil widmet sich der Schadenanalyse und der richtigen Kommunikation mit dem Auftraggeber.

Da Handwerker Menschen sind und Menschen Fehler machen, kann eine Fugensanierung niemals perfekt sein. Durch eine sorgfältige Analyse der Schäden und der daraus abgeleiteten Maßnahmen verbunden mit einer offenen Kommunikation mit dem Bauherren kann man aber zu sehr nachhaltigen Ergebnissen kommen, mit denen Handwerker und Auftraggeber zufrieden sein können. Wie das funktioniert zeigt dieser fiktive Objektbericht, der sich so vor allem in einer von Backsteinbauten geprägten Stadt im Norden unseres Landes zutragen könnte.

Unsere norddeutschen Städte wie Hamburg, Lüneburg, Wismar und weitere sind geprägt von der ursprünglichen Schönheit einschaliger Backsteinmauerwerke. Nach Jahren stehen auch die schönsten Exemplare dieser Art zur Sanierung an. Zumeist, weil die Fassade nicht schlagregendicht ist. Jetzt erhalten Sie einen Anruf oder eine Anfrage per E-Mail, bei der Sie gebeten werden, einen Ortstermin zu vereinbaren, um sich eine Fassade anzusehen und ein Angebot für die Fugensanierung zu erstellen. Zu diesem fiktiven Termin möchte ich Sie nun begleiten.

Erster Ortstermin

Sie fahren zum Ortstermin, ein Gebäude der Jahrhundertwende in Hamburg. Das Wetter: Kein Regen, keine blendende Sonne. Ihr „kleines Fassadenbesteck“ (Fernglas, Digitalkamera, Zollstock, Rissbreitenmesser, Schweizer Offiziersmesser) ist mit dabei. Sie sehen ein Backsteinmauerwerk, Hamburger Format, geregelter Verband, rot nuancierte Kohlebrandziegel.

Das Fugennetz ist in Teilbereichen bröckelig, unterhalb der Fensterbänke sind Kalkfahnen zu sehen, der Fugenmörtel in den Sohlbänken ist ausgewittert. Fugenbreiten etwa 12 bis 20 mm, der Bestandsfugenmörtel ist nur 8 bis 12 mm tief und einlagig eingebracht.

Der Fugenmörtel ist zwar vorne fest, aber nach 2 bis 4 mm im hinteren Bereich „verbrannt“. Eine feste Verbindung zwischen Fugenmörtel und Ziegel gibt es nicht. Beim Herausnehmen bleibt die Ziegelflanke glatt und sauber. In dunklen Feuchtebereichen wachsen teilweise Moose oder Flechten im Fugennetz. Teilbereiche hatte man bereits mehrfach fugensaniert. Das erkennen Sie unschwer an den verschiedenen Fugenfarben. Der alte Fugenmörtel ist weich, bröselig und lässt sich mit dem Taschenmesser herausbrechen. Die später eingebrachten Fugenmörtel sind teilweise sehr hart, und lösen sich in Brocken aus dem Fugennetz. An der wetterabgewandten Seite ist das Schadensbild sichtbar besser.

Einzelne Stürze sind seitlich gerissen, einzelne Ziegel scherbeln ab. Eine Befragung des Eigentümers, vertreten durch eine Verwaltung, ergibt: Der Wandaufbau ist unbekannt. Seit Jahren werden immer wieder Feuchteprobleme von Mietern beklagt, der Hausmaler hat stets innen Schimmelprobleme mit „Schimmelex“ und Spezialfarben gelöst. Bei einem besonders „schwierigen Mieter“ wurden Calciumsilikatplatten angebracht. Gutachten, Bauteilöffnungen, Untersuchungen liegen nicht vor. Der befragte Hausmeister (stets eine unschätzbare Wissensquelle) meint sich zu erinnern, dass vor Jahren der Westgiebel imprägniert wurde.

Die Fassade ist nicht schlagregendicht

Es liegt bereits ein Angebot eines Allrounders für eine Fugensanierung – verbunden mit einer Imprägnierung – vor, aber man möchte die Meinung und ein Gegenangebot einer Fachfirma – von Ihnen – einholen. Vertrauensvoll zeigt Ihnen der Verwalter das vorliegende Angebot.

Inhalt in Kurzform: Partielle Überarbeitung des Fugennetzes mit einem Fugenmörtel (Entfugen/Verfugen) und anschließendes Hydrophobieren der gesamten Backsteinfassade. Kosten: 55 €/m² zuzüglich Gerüst und Mehrwertsteuer.

Sie haben nun zwei Möglichkeiten: Sie gehen unverrichteter Dinge nach Hause und überlassen das Objekt und die Bauherren ihrem Schicksal. Oder Sie beginnen ganz am Anfang: Da Sie das Objekt reizt und Sie den Verwalter gut kennen, nehmen Sie die Aufgabe an und beraten den Bauherren fachlich und kompetent.

Bauzustandsanalyse

Die Sanierungsaufgabe ist vergleichbar mit dem Besuch bei einem Arzt. Grundsätzlich schuldet der Bauschaffende (ob Planer oder ausführender Handwerker) eine Bauzustandsanalyse. Da es keinen Architekten gibt, sind Sie der Planer (und haften auch dementsprechend). Die Bauzustandsanalyse soll die grundsätzlichen Rahmenbedingungen, die für die Sanierung notwendig sind, erkennen und aufzeigen. Der Umfang der Bauzustandsanalyse ist stets objektspezifisch zu beurteilen. Hier gilt es „das Objekt zu verstehen“.

Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1920: Erfahrungsgemäß als einschaliges Mauerwerk erstellt, Wand-dicken im Erdgeschoss größer als 36,5 cm, nach oben hin sich verjüngend. Als erste Orientierung kann Ihnen die Gebäudetypologie, flächendeckende Erhebung und Kartierung des energetischen Zustandes des Hamburger Gebäudebestands (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Hamburg) für Objekte in Hamburg helfen. Hier werden die Bauten nach Größe und Baualter typisiert und die „üblichen“ Rahmenbedingungen wie unter anderem der meist anzutreffende Wandaufbau beschrieben.

Das Gebäude wurde in der gesamten Zeit wohnlich genutzt und zeigt die oben beschrieben Feuchteprobleme. Nach dem Krieg wurden Bombenschäden an einer Seite neu gemauert (das Erkennen Sie an den andersfarbigen Ziegeln und der Abweichung vom Regelverband). Denkmalschutz für das Objekt ist dem Verwalter nicht bekannt. Eine Recherche beim Denkmalamt bestätigt dies. Der Verwalter übergibt Ihnen einen alten Grundriss/Schnitt der einen ungefähren Überblick über den Wandaufbau gibt.

Nächster Schritt: Diagnose

Da keine weiteren Informationen vorliegen verlassen Sie sich nicht auf den Plan (Papier ist geduldig), sondern erkunden den Wandaufbau durch Bauteilöffnungen selbst. An der Westseite, an einem Bereich mit hoher Schadensintensität, lassen Sie ein Gerüst bis zur Dachkante stellen. An drei Stellen öffnen Sie die Wand: Erdgeschoss Sockelbereich, in der zweiten Etage direkt neben einem schadhaften Sturz (direkt unter dem Abschlussgesims, versetzt gemauerte Rollschicht) und im Bereich von Kalkläufern.

Die Öffnungstiefe ist jeweils so, dass Sie den tatsächlichen Wandquerschnitt erkennen können. Bei dieser Gelegenheit nehmen Sie Ziegelproben, Proben des Mauermörtels und des Fugenmörtels. Sie erkennen, dass in allen Bereichen die Wand durchgemauert ist, es gibt im Wandquerschnitt eine etwa 2 bis 4 cm dicke Luftschicht.

Die Ziegel sind als Binder in der Luftschicht durchgemauert (etwa 8 Ziegel/m²). Die Durchbinder sind nicht im Querschnitt gerissen. Der Mauermörtel ist sehr weich und sandig, kaum Zementanteile. In den Stoßfugen sind viele tiefgehende Hohlräume zu sehen. Der ursprüngliche Fugenmörtel ist weich, hat ebenfalls wenig Bindemittel und eine Körnung von 0 bis 3 mm. Die Ziegel sind fest, die Wasseraufnahme (Benetzungsprobe) ist sichtbar. Es sind bis auf wenige Abscherbelungen keine Frostschäden sichtbar. Die Holzfenster (teilweise noch Holz-, überwiegend Kunststofffenster) sind mauerwerksbündig gemauert. Der Anschluss zwischen Mauerwerk und Fensterrahmen ist bei den Holzfenstern mit einem harten Zementmörtel ausgeführt. Später eingebaute Kunststofffenster wurden mit PU-Schaum angeschlossen und mit Silicon abgedichtet.

Ein Benetzungstest mit Wasser an diversen Stellen zeigt: Das Wasser dringt zügig in Fuge und Ziegel ein, imprägnierende Beschichtungen an der Oberfläche sind nicht zu erkennen. Das Abschlussgesims unterhalb der Dachkante ist von oben mit Teerpappe abgedichtet. In den Bereichen mit Kalkabläufern unterhalb des Gesimses ist diese obere Abdichtung defekt; die Regerinnen wurden an dieser Stelle bereits erneuert.

An zwei Stellen werden Fensterstürze geöffnet. An beiden Stellen sind zwei Träger hintereinander eingebaut. Der vordere Träger weist jeweils Lochkorrosion auf, erhebliche Querschnittsreduzierung. Das hintere Zugeisen ist nur leicht korrodiert, kaum Querschnittsreduzierung. Die Auflager der Stürze sind an beiden Enden ausreichend.

Labortests

Die Ziegel werden im Labor einem verschärften Frosttest unterzogen (100maliger Frost-Tauwechsel statt 25malig). Ergebnis: Frostsicher. Eine Benetzungsprobe der Ziegel im Querschnitt ergibt: Wasser zieht auch an den vorderen Flanken zügig ein. Keine Imprägnierung feststellbar. Wasseraufnahme, Rohdichte und Druckfestigkeit werden ermittelt. Ergebnis: Wasseraufnahme 8 bis 10 Masseprozent, Rohdichte 1,8, Druckfestigkeitsklasse 28.

Auch die Fugen- und Mauermörtel werden im Labor untersucht. Ergebnis: Der Fugenmörtel ist ein nicht gipshaltiger Kalk-Zementmörtel M5 mit einer Körnung von 0 bis 3 mm. Der Mauermörtel ist ebenfalls ein Kalk-Zement Mörtel M2 ohne Gipsanteile.

Prüfungen der Ziegel mit dem Karstenschen Röhrchen zeigen an: Die Ziegel nehmen kein Wasser auf, denn die Patina schützt den Ziegel. Dennoch zieht Wasser zügig an allen Teststellen ein und verteilt sich sichtbar an den Fugenflanken. An mehreren Stellen läuft das eindringende Wasser zwei bis drei Ziegelreihen unterhalb der Teststelle aus dem Fugennetz wieder heraus.

Ergänzende Tests mit der Franke-Platte ergeben nach 15 Minuten einen Wasserverlust zwischen 140 und 290 ml.

Zur Untersuchung des Sockel- und Perimeterbereichs wurde an einer Stelle freigegraben. Ergebnis: Im Perimeterbereich ist eine alte Abdichtung (zweimaliger Schwarzanstrich) zu sehen. Diese Abdichtung ist durch Huminsäuren im Lauf der Zeit größtenteils schadhaft. Sie bieten deshalb die Sanierung der schadhaften Abdichtung des Perimeterbereichs gleich mit an.

Im Grenzbereich Sockel/Perimeter ist ein Salzstreifen im Mauerwerk sichtbar. Deshalb werden die Fugenmörtel so rezeptiert, dass Sie mit den Salzen im Bestand „umgehen können“. Auch angrenzende Bauteile (Balkone, Vordächer) wurden geprüft. Ergebnis: Kein Handlungsbedarf.

Dokumentieren und Kommunizieren

Diese Fakten dokumentieren Sie und nehmen die gesamte Fassade und auch die Tests mit Ihrer Digitalkamera auf. Die Ergebnisse fassen Sie in einem Kurzbericht zusammen, als Anlage fügen Sie eine Fotodokumentation und Laborergebnisse ein.

In einem Gespräch erläutern Sie Ihrem Kunden die Erkenntnisse und den daraus resultierenden Sachverhalt. Sie stellen klar, dass Ihre Stellungnahme eine erste grobe Empfehlung ist. Der nächste notwendige Schritt wäre die „Feinplanung“, die in einem Leistungsverzeichnis mündet.

Ihre Stellungnahme in Kürze zusammengefasst

Die Verfugung ist an allen Seiten schadhaft. An den wetterabgewandten Seiten ist das Schadensbild zwar weniger intensiv sichtbar als an der Westseite, jedoch ist auch hier an vielen unzusammenhängenden Stellen Sanierungsbedarf gegeben.

Die Standdauer einer fachgerechten Verfugung liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Hier wurden bereits diverse Stellen „ausgeflickt“. Die „Flickstellen“ wurden aber mit einem deutlich zu hartem Fugenmörtel ausgeführt: Deshalb sind an diesen Stellen Ziegel an den Flanken abgescherbelt. Nicht der Fugenmörtel hat sich für den Ziegel „geopfert“, sondern der weichere Ziegel für den Fugenmörtel.

Die Tests mit dem Karstenschen Röhrchen und der Franke-Platte zeigen, dass die Wasseraufnahme des Mauerwerks viel zu hoch ist. Untersuchungen von Prof. Franke der TU-Harburg haben als Richtwerte ergeben (Kurzfassung): dass einschaliges Mauerwerk von etwa 36 cm Breite, ausgeführt mit saugenden Verblendern, weniger als 150 mm/15 Minuten aufnehmen soll. Dann ist davon auszugehen, dass die Speicher-fähigkeit des Mauerwerks ausreicht und die Fassade als schlagregensicher anzusehen ist (dies ist stark verkürzt dargestellt).

Deshalb ist eine komplette Fugensanierung an allen Seiten sinnvoll. Da keine Gipsmörtel verbaut wurden, was zum Erbauungszeitraum ab und zu noch üblich war, können zementhaltige Mörtel eingesetzt werden, ohne Bildung von Treibmineralien befürchten zu müssen.

Jedoch müssen die Mörtel von der Druckfestigkeit zum Bestand passen; also Mauermörtel M10 und FM M5.

Auch die Austauschziegel müssen vom Format, der Oberfläche und Farbe, aber auch von der Wasseraufnahme und Rohdichte zumindest annähernd dem Bestand entsprechen.

Die Entfugung erfolgt durch einen ersten Entlastungsschnitt mittig in der Fuge. Danach wird der eingeschlitzte Fugenmörtel mit einem pressluftgetriebenen kleinen Meißel entfugt. Fugentiefe: Doppelte Fugenbreite, in diesem Falle etwa 20 mm Tiefe.

Wenn eine Flex zum Entfugen benutzt wird, dann mit speziellen dünnwandigen und segmentierten Trennscheiben; ansonsten Spezialwerkzeug wie Schwingfräsen, Fingerfräsen an den angrenzenden Bereichen zu den Zierbereichen. Hier ist höchste Sorgfalt geboten.

Einzelne Ziegel werden mit einer Schwingfräse sauber ausgeschnitten. Ziegelflanken dürfen soweit möglich nicht beschädigt werden (bei den harten Fugenmörteln werden geschätzt 10 Prozent der Fugenkanten beschädigt werden). Alle eingesetzten Mörtel (Mauermörtel und Fugenmörtel) müssen mit eventuell vorhandenen Salzen/Gipsen verträglich sein. Die Sanierung der markierten Risse erfolgt mit Spiralankern. Eine Staubentwicklung beim Entfugen ist zwar unvermeidbar, kann aber durch geeignetes Werkzeug (Flex mit Absaugung, leistungsstarke Klopfsauger, bei größeren Objekten zentrale Absauganlagen) reduziert werden. Ein Einplanen des Gerüstes ist zwingend; an allen Anschlüssen, vor allem an den Hauseingängen müssen die Gerüstplanen dicht angeschlossen werden.

Nach dem Entfugen wird der Staub abgesaugt; danach die Staubreste mit Druckluft ausgeblasen. Nach der Entfugung werden sich zahlreiche Hohlstellen im Bereich der Stoßfugen zeigen.

Ursache dafür ist das leider übliche Mauern ohne Angeben von Mörtel am Ziegelkopf. Beim „Anschieben“ des Ziegels wird etwas Mörtel in die Stoßfuge gedrückt; es bleiben aber stets Hohlräume, meist im oberen Teil der Stoßfuge. Hier lagert sich Wasser ein. Diese Hohlräume müssen mit einem speziell rezeptierten Vorverfüllmörtel geschlossen werden. Dieser speziell rezeptierte Vorverfüllmörtel wird plastisch im Spritzverfahren eingebracht. Die Konsistenz ist so eingestellt, dass der Mörtel verformungswillig ist, gut haftet, aber keine wasserabweisenden Eigenschaften hat.

Vor dem Einbringen des Vorverfüllmörtel wird das Fugennetz von unten nach oben gewässert. Ziel ist, einen sofortigen Wasserentzug an den Kontaktflächen zwischen dem neu eingebrachten Fugenmörtel und dem stark wassersaugenden Mauermörtel zu reduzieren, also ein „Verbrennen“ des Mörtels auszuschließen. Wie und wieviel gewässert wird, richtet sich objektspezifisch nach den Gegebenheiten. Hier gibt es keine Standardwerte.

Parallel zu diesen Maßnahmen werden Stürze saniert: schadhafte Stürze werden ausgetauscht, leicht korrodierte Stürze werden saniert. Auf diesen Bereich gehe ich nicht weiter ein, um diesen fiktiven Objektbericht nicht zu überfrachten.

Hydrophobierung ist nur das letzte Mittel

Ein Gesprächsthema mit Ihrem potentiellen Bauherren ist die Empfehlung des vorliegenden Angebots, das Mauerwerk zu hydrophobieren. Hydrophobierungen sind grundsätzlich kritisch zu bewerten. Hydrophobate sollen die gesamte Mauerwerkoberfläche dauerhaft und sicher gegen Schlagregen schützen. Der Feuchteausgleich soll durch Diffusion gewährleistet sein. Mauerwerk mit Salzbelastung, Backsteine mit wasserführenden Rissen, aufsteigende Feuchte im Fußpunkt, schließen eine Hydrophobierung aus. Feuchtetransport im Mauerwerk findet deutlich zum überwiegenden Teil nicht durch Diffusion, sondern durch Kapillarität statt. Diese ist jedoch nach der Hydrophobierung nicht mehr möglich. Es muss also sichergestellt sein, dass kein Schlagregen zum Beispiel durch Flankenabrisse die größer als 0,1 mm sind, in die Fassade dringt. Der Feuchtehaushalt würde sich „aufschaukeln“; langfristige Zerstörungen im Mauerwerk wären die Folge. Durch eine Schlämmverfugung ist zwar eine große Sicherheit gegeben, Flankenabrisse sind weitestgehend auszuschließen, die Voraussetzungen für Schlämmverfugung (ausreichende Tiefe) müssen jedoch vorhanden sein. Das ist bei diesem Objekt nicht der Fall. Die Fugen sind derart geschädigt, dass ein kompletter Austausch zwingend ist. Hydrophobierungen haben nach meiner Erfahrung eine Standzeit von 8 bis 15 Jahren und müssen danach „aufgefrischt“ werden. Besonders problematisch sind Fassaden bei denen eine Hydrophobierung nach einigen Jahren optisch nicht festzustellen ist. Fugenmörtel ohne „klebende“ dispergierende Zusätze können dann an den hydrophobierten Flanken der Lager-flächen keine ausreichende Haftung herstellen. Das Risiko von Flankenabrissen und daraus resultierenden Feuchteschäden ist nach meiner Erfahrung nicht auszuschließen. Ein „gesundes“ Mauerwerk muss nicht hydrophobiert werden.

Deshalb ist diese Methode „das letzte Mittel“, wenn andere Sanierungsmethoden die Schlagregensicherheit nicht herstellen, zum Beispiel bei sehr stark wassersaugenden Backsteinen und dünnen Wandquerschnitten, wenn eine gründliche Bauzustandsanalyse die Voraussetzungen bestätigt hat und wenn der Bauherr über das Restrisiko und die begrenzte Dauerhaftigkeit hinreichend aufgeklärt wurde.

Musterflächen anlegen

Wenn hydrophobiert werden muss, dann sollte immer eine adaptive Hydrophobierung ausgeführt werden. Adaptiv bedeutet: Objektbezogen, den Wirkstoffgehalt des Mittels so gering wie möglich, aber so hoch dosiert wie notwendig, einstellen. Da hier neu verfugt wird, entfällt die Notwendigkeit für eine Hydrophobierung.

Außerdem muss die Bauleitung die Fassade abgehen und alle Ziegel, die starke durchgehende Risse aufzeigen, mit Ölkreide markieren und austauschen lassen. Die Anschlussbereiche zu den Fenstern werden ebenfalls mit saniert.

Besonders wichtig ist eine definierte Leistungsbeschreibung zum Thema „Schlagregensicherheit“. Sie empfehlen Ihren Bauherren folgende Vorgehensweise: Vor Vergabe werden Musterflächen angelegt in denen die Entfugungsqualität getestet und dokumentiert wird und verschiedene Verfugungsverfahren getestet und dokumentiert werden. Auch die Optik, vor allem aber die Wasseraufnahme an den Testflächen wird ebenfalls geprüft.

Erst danach kann festgelegt werden, welche Ent- und Verfugungsmethode für dieses Objekt optimal ist und welche maximale Wasseraufnahme als „geschuldete Leistung“ im Leistungsverzeichnis definiert wird. Das gibt beiden Vertragsparteien Sicherheit für die Ausführung und spätere Abrechnung.

Der Beitrag wird in bauhandwerk 3.2019 fortgesetzt.

Autor

Joachim Schreiber ist Sachverständiger für Mauerwerk, Fassaden und Wärmedämmverbundsysteme und Inhaber eines technischen Büros für Baubegleitung, Qualitätssicherung, Feuchtemessung, Laboranalysen und Messung der Schlagregensicherheit in Hamburg.

Anmerkung des Autors

Dieser Artikel beschreibt ausdrücklich nicht die Abwicklung eines Bauvorhabens nach den Stufen der HOAI. Warum? Weil in der Praxis die meisten kleineren und mittleren Bauvorhaben zwischen den Bauherren und den Handwerkern geplant und ausgeführt werden. Ich habe mich deshalb bemüht praxisbezogen zu denken und zu schreiben.

Literatur

Beurteilung der Schlagregensicherheit und Langzeitfrostbeständigkeit von Backsteinbauten, WTA-Schriftenreihe, Heft 11, Aedification Verlag Freiburg, 1996

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