Sanierung und Umbau der Alten Papiermühle in Ortenberg

Bei der Sanierung und dem Umbau der Alten Papiermühle in Ortenberg spielte Lehm eine entscheidende Rolle – in Form von Blähtonleichtlehm in Kombination mit Schilf als Innendämmung, als Lehmstein zur Ausfachung des Fachwerks und natürlich als Feinputz.

Die Alte Papiermühle in Ortenberg, umgangssprachlich als „Kalbsvilla“ bekannt, wurde 1798 erbaut. Das Unternehmer-Paar Waldschmidt erwarb sie im Jahr 2013 vom Vorbesitzer, der zuletzt nur noch zwei Zimmer der unteren Etage bewohnte. Nach der Bestandsaufnahme wurde klar, dass nur eine grundlegende Restaurierung für das Gebäude in Frage kommt.

Die Grundkonstruktion besteht aus Holzfachwerk, das mit Backsteinen, Lehmsteinen und Putzen aus Lehm und Kalk ausgebaut war. Die gesamte Bausubstanz war jedoch so in die Jahre gekommen, dass ein nahezu komplett neuer Innenausbau erforderlich war. Der Bauherr Sven Waldschmidt erinnert sich: „Da war es nun – unser Traumhaus. Wir ahnten, was wir uns da antun und wollten das Gebäude dennoch nah am ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Zudem sollte es ökologisch und nachhaltig sein und uns den Raum für ein gesundheitsbewusstes Leben im Einklang mit der Natur liefern.“

Eigenleistung mit Beratung

Die ersten Arbeitsversuche mit Kalkputzen verliefen nicht ganz reibungslos, weil der Baustoff Kalk bei der Verarbeitung hohe Ansprüche an den Verarbeiter stellt. Da das Haus zu weiten Teilen in Eigenleistung restauriert werden sollte, suchte sich Familie Waldschmidt Unterstützung bei ihrem regionalen Baustoffhändler, der Firma Hack aus Nidderau. Glückliche Fügung war, dass sie dort mit Hubert Kaufmann auf einen ausgewiesenen Experten für Restaurierungen und Sanierung trafen. Bei der Besichtigung vor Ort gab er den entscheidenden Rat: „In ein Holzfachwerk gehört Lehm. Dann hält das Haus am längsten.“ Dieses klare Statement des Fachmanns überzeugte die Bauherren, denn Lehm und Holz gehen dank ihrer Natürlichkeit eine perfekte Symbiose ein. Baustoffhändler Kaufmann erklärt: „Der Lehm sorgt für eine optimale Konservierung des Holzes und dank seiner Diffusionsoffenheit lässt er das Gebäude sozusagen atmen und sorgt für ein ausgewogenes Raumklima. Darüber hinaus absorbiert er Schadstoffe und Gerüche aus der Luft.“ Neben diesen baubiologischen Eigenschaften ist Lehm ein natürlicher und nachhaltiger Baustoff, der direkt aus der Natur stammt.

Ein erfahrener Lehmbauer wurde hinzugezogen, der die Familie bei der grundlegenden Planung und teilweise auch bei der Verarbeitung unterstützte. Er weiß Anekdotisches zu berichten: „Wir standen vor der Herausforderung, dass der Lehm in das erste Stockwerk transportiert werden musste. Bevor wir dafür ein modernes Förderband installiert hatten, griffen wir auf die traditionelle Methode mit einem Seilzug zurück. Das war ziemlich anstrengend, aber passte perfekt zum Baustoff Lehm mit seiner jahrtausendealten Tradition.“

Schilf und Lehm

Die Bauarbeiten umfassten in Räumen, in denen das Fachwerk nicht sichtbar sein sollte, Holzkonstruktionen, die vor die Wände gebaut und anschließend mit Schilfrohrmatten verkleidet wurden. Die Matten bilden die Grundlage für die Putze aus Lehm – zum Einsatz kam Blähtonleichtlehm, der als Leichtlehm-Innenschale für zusätzliche Dämmung sorgt. Die Oberflächen wurden mit Lehm-Feinputz versehen, der mit Lehmfarbe gestrichen oder mit farbigem Lehm-Edelputz gestaltet wurde. In den Räumen, in denen das Fachwerk sichtbar bleiben sollte, wurde dieses mit Lehmsteinen neu ausgefacht, ebenfalls mit Lehmputz verputzt und danach gestrichen.

Auch die Decken wurden mit Schilfrohrmatten und Lehmputzen komplett neu aufgebaut, damit kann der Lehm seine positiven Eigenschaften für das Raumklima optimal entfalten. Besonders deutlich wird das im Badezimmer, denn auch dort sind rund 80 Prozent der Wandflächen mit Lehm verputzt. Ausgenommen sind Spritzwasser- und Nassbereiche wie Dusche und Waschbecken, die gefliest wurden.

Lehmbaustoffe vom Experten

Bei den Baustoffen vertraute man auf die Firma conluto. Deren Sortiment umfasst auch moderne Lehmbau-Produkte, wie Lehmbauplatten. Diese kamen beim Dachausbau zum Einsatz, weil sie eine nachhaltige Alternative zu klassischen Gipskartonplatten darstellen und sich schnell und einfach verarbeiten lassen. Das Besondere daran ist, dass damit Lehm und seine positiven Eigenschaften in das Gebäude eingebracht werden können, jedoch der Feuchteeintrag im Vergleich zu einem Putzauftrag gleicher Dicke deutlich geringer ist und die Weiterbearbeitung der Oberfläche ohne lange Trocknungszeiten erfolgen kann. In Verbindung mit Platten aus Holzweichfasern ergibt sich daraus ein Gesamtkonzept, das die erforderliche Dämmung und eine ökologische Bauweise optimal miteinander verbindet. „Unsere Kunden wollen gesund und nachhaltig leben, hier setzen wir mit unserem Angebot an, denn Baustoffe aus Lehm erfüllen neben der hervorragenden Feuchtigkeitsregulierung auch höchste baubiologische Ansprüche,“ sagt conluto-Inhaber Jörg Meyer. Insgesamt wurden in der „Kalbsvilla“ gut 14 Tonnen conluto Lehm Unterputz (erdfeucht) verarbeitet. Das entspricht rund 450 m2 Wand- und Deckenfläche. Zudem zehn Tonnen Blähtonleichtlehm sowie eine Tonne Lehm-Feinputz. Für die Veredelung der Oberflächen kamen noch 30 kg Lehmfarbe und 250 kg Lehm-Edelputz hinzu. Im Dachgeschoss wurden zusätzlich 30 m2 der Lehmbauplatten verbaut.

Autor

Vanessa Nürnberg war ehemals Marketingleiterin bei der von Inhaber Jörg Meyer geführten Firma conluto in Blomberg.

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