Schatzkammer der Baustile
Aufwendige Putz- und Stuckarbeitem beim Wiederaufbau des Dresdner Schlosses

Beim Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg fast vollkommen zerstörten Dresdner Schlosses kamen eine Vielzahl unterschiedlicher Putztechniken und Konstruktionen zur Ausführung. Hierbei war von den Handwerkern und Restauratoren hohes handwerkliches Geschick gefragt. Heute beherbergt das Gebäude fünf Museen.

Das Dresdner Schloss war das Residenzschloss der sächsischen Kurfürsten (1547–1806) und Könige (1806–1918). Als Stammsitz der albertinischen Linie der Wettiner war es ab dem 16. Jahrhundert prägend für die kulturelle Entwicklung Dresdens. Die Residenz ist eines der ältesten Bauwerke der Stadt und baugeschichtlich bedeutsam, da viele architektonische Stilrichtungen über die Jahrhunderte ihre Spuren an dem Bauwerk hinterlassen haben.

Heute beherbergt das Schloss fünf Museen: das Historische und das Neue Grüne Gewölbe, das Münzkabinett, das Kupferstich-Kabinett und die Türckische Cammer. Hier sind ebenfalls die Kunstbibliothek sowie die Generaldirektion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden untergebracht.

Zerstörung und langwieriger Wiederaufbau

Infolge der Luftangriffe auf Dresden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, brannte das Schloss am 13. Februar 1945 bis auf seine Grundmauern nieder. Auch das Grüne Gewölbe wurde beschädigt – das Zinn der Dächer schmolz durch die hohen Temperaturen. Nach dem Krieg wurde in einem Teil der Kellergewölbe einige Jahre lang eine Pilzzucht betrieben. Der Hausmannsturm verlor seine Spitze; der Turmstumpf wurde 1946 notdürftig abgedeckt.

Am 13. Februar 1985 stellte der damalige Staatschef Erich Honecker in Aussicht, dass der Außenbau des Schlosses zwischen 1986 und 1990 wiederhergestellt sein würde. 1989 war noch nicht einmal der Westflügel fertiggestellt.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung erhielt der Hausmannsturm 1991 im Zuge des Wiederaufbaus des Schlosses seine Spitze zurück. 2004 folgte die Einrichtung der Kunstbibliothek, des Kupferstichkabinetts, eines Studiensaales und des Neuen Grünen Gewölbes im Westflügel und im Bärengartenflügel. Im März 2006 fand die Wiedereröffnung der Schatzkammer im Erdgeschoß des „Historischen Grüne Gewölbes“ statt. Die Fürstengalerie konnte im August 2009 übergeben werden. Die Wiederherstellung der Englischen Treppe und der Türckischen Cammer erfolgte im März 2010.

Einer der bedeutendsten Räume des Schlosses, der Riesensaal im zweiten Obergeschoss des Ostflügels, wurde von 2006 bis 2007 im Rohbau fertiggestellt. 1480 als zentraler Saal der Residenz erbaut, ist er mit einer Länge von 60 m und einer Breite von 11 m der größte Raum des Schlosses. Ab Februar dieses Jahres ist ein Teil der neuen Dauerausstellung der Rüstkammer hier eingezogen.

Arbeiten mit historischen Putzrezepturen 

Die Putzarbeiten am Schloß begannen 2003 im Museumsbereich I – dem jetzigen Neuen Grünen Gewölbe. Um dem historischen Gebäude und Gemäuer gerecht zu werden, war der Einsatz von Kratzputzen vorgesehen. Die Verantwortlichen gaben eine Oberfläche vor, die fein gefilzt mit Anstrich auch für indirekte Beleuchtung von Bildern und Ausstellungsgegenständen geeignet sein sollte (Gefilzt Q4). Da das Mauerwerk, (teilweise aus Ziegeln, teilweise aus Sandsteinquadern) sehr uneben war, mussten Ausgleichsschichten von bis zu 5 cm erstellt werden. Für diese Anforderungen wurden sechs verschieden historische Rezepturen nachgestellt.

Auch im nächsten Bauabschnitt, der das Historische Grüne Gewölbe und die Garderobenumfasste, sollte der historische Charakter des Bauwerks gewahrt werden. Im Historischen Grünen Gewölbe erneuerten die Handwerker die Putze unter den Holzverkleidungen, die den Räumen den eigentlichen Glanz geben. An den Gewölbedecken nahmen sie Ausbesserungen von Schadstellen vor.

Herstellung gerader Oberflächen für Ausstellungen 

In den Garderoben verputzten die Stuckateure die Wände und die Kreuzgewölbedecken komplett neu. In Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Kulka & Partner wurden 2007 die Putzarbeiten der Mittelachse des Dresdner Residenzschlosses mit Fürstengalerie und Türckischer Cammer geplant. Für die Nutzung als Ausstellungsräume musste man auf der Seite zum kleinen Schlosshof die Fenster als Blindfenster ausbilden. Um gerade Wandflächen zu erhalten, sollten die Fensternischen für die Aufnahme von wandbündigen Vitrinen genutzt werden – dazu wurde eine Trockenbauvorsatzschale mit Gipsfaserplatten auf Ständerwerk geplant. Da in den Deckenbereichen Lüftungs-, Beleuchtungs- und Sicherheitsmedien untergebracht werden sollten, wurde hier eine abgehängte Decke – ebenfalls mit Gipsfaserplatte verkleidet – vorgesehen.

Dickschichtiger Putz auf Gipsfaserplatten 

Ursprünglich war vorgesehen, diese Flächen mit einem weißen Haftfeinputz und Kalkglätte dünnschichtig zu spachtelen. Nach Überzeugung von Prof. Peter Kulka  spüren die Besucher jedoch deutlich am Raumklima, wenn diese Konstruktion dickschichtig überputzt wird. So entstand hier ein wesentlich dickschichtigerer Putzaufbau.

Zur Trennung der gipshaltigen Platte und der kalkgebundenen Haftspachtelung wurde entsprechend vorgrundiert. Darauf erfolgte eine vollflächige Gewebespachtelung in einer Dicke von etwa 5 mm. Anschließend putzten die Handwerker einen weißen, entsprechend der historischen Anmutung speziell rezeptierten Kalk-Feinputz etwa 1 cm dick auf. Nass in nass arbeiteten die Stuckateure in diese Oberfläche die Kalkglätte in Stuckungstechnik ein.

Herausforderung für die Mitarbeiter der ausführenden Firmen war dabei das freskale Einglätten der Kalkglätte in den frischen Kalkputz. Dies musste ansatzfrei und frei von Schlägen und Graten erfolgen, da ein Schleifen nicht möglich war.

Um die Exponate der Türckischen Cammer hervorragend in Szene zu setzen, wurde die Wandoberfläche in einem fast anthrazitgrauen Ton gestaltet. Dafür wurde der Putz und die Kalkglätte bereits in einem passenden grauen Farbton eingefärbt geliefert.

Das Mauerwerk zum großen Schlosshof bestand aus geputzten und unverputzten Flächen – teilweise war ein Altanstrich im Bestand vorhanden. Zur Klimatisierung der Räume wurde an diesen Wänden Röhrenmatten als Kühlung beziehungsweise Wandheizung vorgesehen. Diese mussten mit der gleichen Oberfläche versehen werden.

Geputztes Tonnengewölbe für den Riesensaal 

Parallel zu den Arbeiten in der Mittelachse plante man am Riesensaal. Der Gebäudeteil war im Krieg teilweise zerstört und wurde nach 1990 wieder aufgebaut. Aufgabenstellung für den Putzhersteller Baumit war es hierbei, die Gewölbedecke, die als großes Tonnengewölbe den Saal überspannt und dabei Beleuchtung und Lüftung aufnehmen sollte, mit einem passenden Putzaufbau zu versehen. Gestalterisch sollte mit Putzbändern eine Rhombenstruktur entstehen. Die Ausführung plante man in den folgenden Schritten: Abgehängte Decke als große Tonne als Stahlkonstruktion mit untergehängter gebogener Konstruktion aus Rippenstreckmetall und eingebauten Lampen- und Lüftungskästen mit einem speziell rezeptierten Gipsglättputz mit Faserzusatz zum Teil händisch ausgedrückt, geputzt und abgeglättet.

Für die Rhombenstruktur wurden Bänder aufgeputzt, wozu die Stuckateure eine Drahtkonstruktion in den Gips schraubten, einglatteten und anschließend verputzten. Die gesamte Oberfläche wurde dann zur Erreichung von Q 4 abgespachtelt. Die Wandflächen im Riesensaal verputzten die Handwerker zum Teil mit einem zementfreien Reinkalkputz.

Kunstfertiger Gipsputz an der Englischen Treppe 

Als zentraler und repräsentativer Aufgang zum Riesensaal dient die Englische Treppe. Diese wurde in der Zeit von 2008 bis 2009 kunstfertig mit Gipsputz entsprechend den historischen Vorlagen restauriert. Zum Teil waren sehr hohe Putzdicken notwendig, um flächenbündig an den Bestandsputz (Gips) anarbeiten zu können. Die Oberfläche der Kassetierungen wurde gestippt.

Im Eingangsbereich zur Englischen Treppe und dem Verbindungsgang zwischen kleinem und großem Schlosshof führten die Stuckateure die Wandbereiche und das Kreuzgewölbe mit einem nach historischen Vorbild rezeptierten Kalkputz aus. Das Neuanlegen des Kreuzgewölbes war eine Herausforderung für die Stuckateure, da der Putzaufbau in gleicher Art wie in der Fürstengalerie und der Türckischen Cammer erfolgte.

Handwerkskunst

in Putz- und Stuckarbeiten 

Ein historisches Juwel wurde von acht Handwerksbetrieben in neun Jahren mit hervorragenden Handwerkskunst in Putz- und Stuckarbeiten und den passenden Materialien unter der Leitung eines ebenfalls herausragenden Planungsbüros wieder zum Glänzen gebracht.

Autoren

Barbara Wiedemann ist im Produktmanagement und Lutz Trautmann als Fachberater bei der Firma Baumit in Bad Hindelang tätig.

Sechs historische Rezepturen wurden nachgestellt

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