Bildungs- und Sportcampus in Bürstadt von Prosa Architekten mit Stampflehmwänden
Stampflehm wird immer häufiger und bei immer größeren Projekten eingesetzt. Der erfahrene Stampflehmbauer Jörg Depta verrät Tipps und Tricks, wie er 62 t des schwer zu verarbeitenden Materials in den Bildungs- und Sportcampus in Bürstadt einbaute.
Der 2024 eröffnete Bildungs- und Sportcampus in Bürstadt besteht überwiegend aus ökologischen beziehungsweise wiederverwertbaren Materialien wie Holz und Lehm
Foto: Lehmbauwerk
Stampflehm ist ein massiver Trend für die Klimatisierung von Gebäuden ohne zusätzlichen Energieaufwand. Im vergangenen Jahr wurde die Hauptverwaltung von Weleda in Schwäbisch Gmünd eröffnet – veredelt mit dem handwerklich aufwendigen Material. In Darmstadt hatte Alnatura 2019 mit dem Naturmaterial auf seine Unternehmenszentrale aufmerksam gemacht (bauhandwerk 1-2.2021) und in Laufen entstand bereits 2014 eine große Kräuterhalle für Ricola nach Plänen des Architekturbüros Herzog & de Meuron aus Stampflehm (bauhandwerk 10.2014).
Auch der Bildungs- und Sportcampus in Bürstadt von Prosa Architekten ist mit 77 x 13 m ein größeres Gebäude. Er wird seit 2024 vielfältig für Stadtteilveranstaltungen, Seminare, Schulunterricht und Sportumkleiden genutzt und besteht überwiegend aus ökologischen beziehungsweise wiederverwertbaren Materialien, die sortenrein trennbar sind. Die Bodenplatte ist aus Recyclingbeton, die Konstruktion aus Brettschichtholz, Holzstützen und -pfetten. Die Außenwand ist mit Zellulose gedämmt und mit Holzschindeln verkleidet.
Spektakulär ist eine massive, das ganze Bauwerk durchziehende Stampflehmwand. Atmosphärisch wirken ihre horizontale Schichtung, die Körnigkeit und der dunkle Ockerton. Zudem gleicht sie das Raumklima aus, indem sie Temperatur- und Feuchtespitzen puffert und wirkt sich mit ihrer rauen Oberfläche positiv auf die Raumakustik aus. Am liebsten hätten die Architekten für die Wand Aushub verwendet. „Aber der ist so schwierig aufzuarbeiten und teuer“, wehrt Jörg Depta von der Firma Lehmbauwerk aus Berlin ab. Er war einer der wenigen Handwerker, die sich dieses große Stampflehmprojekt zutrauten – unterstützt durch drei bis vier Mitarbeiter.
Design in Prozess
In die bestehende Holzkonstruktion sollten die Lehmbauwerker nicht lastabtragende Wände auf eine stabile Bodenplatte aus Stahlbeton stampfen – etwa 60 m Wand, 3 m hoch, 25 cm dick. Auf der einen Seite der Lehmwände liegt der zentrale Flur, von der anderen Seite gehen Funktionsräume (Büro, Sanitär, Umkleide) ab.
Das handwerklich geschichtete Unikat ist meist von beiden Seiten zu sehen. Beim Trocknen schwindet es noch um etwa 0,5 Prozent beziehungsweise 1,5 cm – ein Prozess, der nicht durch querliegende Aussteifungen gestört werden darf. Die Architekten hatten den Lehmbau allerdings nicht fertig detailliert. Jörg Depta fragte, was gegen die Gefahr, dass die Wände wegkippen könnten, geplant sei (Standsicherheit) und ob ein Sockel vorgesehen sei. „Nach Lehmbauregeln ist es nicht zulässig, dass die Wände direkt auf dem Rohboden stehen“, erklärt er. Bis die DIN zu Stampflehm fertig ist, gelten die 1998 eingeführten Lehmbauregeln des Dachverbandes Lehm e.V. in Weimar.
Spezielle Statik
Standsicherheit erzeugen: Nach dem Stellen der Stangen werden diese eingemörtelt
Foto: Lehmbauwerk
Wegen der Standsicherheit der bis zu 6 m langen Wände ließ sich Depta in Abstimmung mit den Prosa Planern vom Statiker Prof. Ziegert beraten. Schließlich entschied man sich, verzinkte Stahlrohre mit dem Sockel und dem Boden zu verbinden und sie mit einem Winkel gleitend an die Decke anzuschließen. Ein Schenkel des Winkels steckt im Rohr, das 3 bis 4 cm kürzer als die Raumhöhe ist. So gibt es keinen kraftschlüssigen Verbund, Holzkonstruktion und Lehm können noch arbeiten.
Auch Zugspannungen kann Stampflehm nicht gut aufnehmen. Dadurch hervorgerufene Risse kann eine Armierung mit einem so genannten Geogitter verhindern. Depta ließ die Armierung mit ins Leistungsverzeichnis aufnehmen. Die erste Lage Geogitter wird nach 30 cm eingelegt, insgesamt sind es 3 bis 4 Lagen.
Die Architekten hatten geplant, die massiven Eichentüren direkt im Stampflehm zu befestigen. „Aber das hält auf Dauer nicht, Dübel lösen sich bald wieder“, warnte der Fachmann. Mitunter werden auch Hölzer eingestampft, aber dafür waren die Eichentüren zu schwer. Depta setzte zwischen Türrahmen und Stampflehmwand ein zusätzliches Vollholz, das am Boden und an der Decke verankert als Anschlag für die Türrahmen dient. Die Fuge zwischen Stampflehm und Vollholz wurde mit Holzwolle ausgestopft und mit Korkpaste verfugt.
Schalung – fix oder mobil
Hier wurden zwei Gleitschalungen übereinander montiert. Gegenüber steht eine tragende Holzwand
Foto: Lehmbauwerk
Nach dem Mauern des Sockels und dem Verschrauben der Rohre montierten die Fachleute die Schalung, die einem Druck von 60 N/cm² standhalten können muss. Die Schalung fertigten die Lehmbauwerker aus 18 mm dicken OSB-Tafeln, auf die sie 4 mm dicke, braune Filmplatten (günstiger, wasserfest verleimt) als Vorsatzschalung tackern, wie sie auch als Betonschalung verwendet werden. So schalten sie die rückseitige Wandseite raumhoch ein. Auf lasttragende BSH-Wände konnten sie direkt stampfen. Die Vorderseiten schlossen sie mit dem Stampffortschritt aufsteigend mit einer Gleitschalung im Format 0,60 m x 2,50 m. Die Rückseite ist mit 4 x 6er Hölzern an den Rändern und in der Mitte ausgesteift. Bis zu zwei Gleitschalungen wurden übereinander montiert und dann im Tausch von unten nach oben versetzt.
Auf die Seitenteile der Schalung montierten die Lehmbauwerker auch Dreikantleisten zum Brechen der senkrechten Eckkanten. Presshölzer verteilen den Druck der Schalungsanker gegen ein Verformen der Schalung, die in der Regel 60 cm Abstand haben. Freistehende große Wandstücke erhielten von beiden Seiten eine Gleitschalung, was aufwendiger ist.
Um die richtige Wanddicke zu halten, brauchte es Abstandshalter im Zwischenraum. Die Kunststoffröhrchen, die man dazu im Betonbau über die Schalungsanker schiebt, werden beim Stampfen zu leicht zerschlagen. „Sie sind für den Stampflehmbau nicht geeignet“, betont Jörg Depta. Deshalb klemmten seine Mitarbeiter beim Stellen der Schalung Abstandshölzer ein. Beim Stampfen wurden sie nach und nach herausgenommen, wenn die entsprechende Stampfhöhe erreicht war.
Material einstellen
Zum Einsatz kam ein brauner Naturstampflehm mit 16 mm Korn. Er wurde auf eine Rohdichte von etwa 2100 kg/m³ verdichtet und hat eine Druckfestigkeit von bis zu 2 N/mm². Insgesamt 62 t Material sind verarbeitet worden. Die 1 t schweren Big Bags wurden mit dem Stapler ins Gebäude geschoben und mit dem Hubwagen direkt zu den eingeschalten Wänden bewegt. Vor dem Einbau überprüfte Depta das Material auf die richtige Feuchte. „Wenn es nicht die richtige Einbaufeuchte von 8 Prozent besitzt, hat es nicht die richtige Klebekraft und wird nach dem Trocknen sehr bröselig “, erklärt er. Ist es zu feucht, lässt es sich schlecht stampfen und die spätere Wandtextur wirkt nicht mehr homogen. Deshalb muss angeliefertes Material eventuell sogar nachgetrocknet werden. Im damaligen heißen Bausommer war die erste Lieferung allerdings zu trocken geworden, so dass seine Mitarbeiter das Material mit großem Aufwand nachfeuchten mussten.
Stampfen des Lehms
Im oberen Bereich wird mit kurzen Stampfern gearbeitet
Foto: Lehmbauwerk
Auf den eingeschalten Sockel aus Kalksandstein legten die Lehmbauer Bitumenstreifen als Feuchtigkeitssperre. Je Lage füllten sie 15 cm Material ein und verdichteten es mit Luftdruckstampfern auf ungefähr die Hälfte der Einfüllhöhe. Selbst mit technisch guten Stampfern ist das Knochenarbeit. „Das Ende der Fahnenstange ist handwerklich erreicht“, warnt Depta und weist drauf hin, dass er nur gedämpfte Stampfer verwendet. „Ungedämpfte Stampfer sind auf Dauer nicht gesund“, warnt er. „Wir empfehlen nur noch Stampfer, die gut gedämpft beziehungsweise umgerüstet sind.“ Mit den langen Stampfern konnten sie bis etwa 60 cm in Räumen bis unter die Decke stampfen. Kurze, 30 cm große Stampfer, setzten die Lehmbauwerker bis etwa 40 cm unterhalb der Decke ein. Die letzten Zentimeter werden händisch verdichtet.
Schwieriger Kopfbereich
Beim Stampfen in bestehenden Räumen ist der Kopfbereich unter der Decke eine besondere Herausforderung. Manche stampfen die letzten 30 cm von vorne. Depta probierte unterschiedliche Techniken aus. Zum einen benutzte er vorverdichtetes Material – im Eimer oder als Steine. „Es gibt keine gute Lösung“, ist sein Fazit. Am häufigsten verschalte er ein kurzes Stück des Kopfbereichs und verdichtete mit dem Stampfer horizontal von der Seite. Jede der Techniken hat zur Folge, dass sich im Kopfbereich die sichtbare Wandtextur verändert.
Nacharbeit, Retusche und Oberflächenbehandlung
Manchmal wird auch vergessen, ein Abstandsholz herauszunehmen. Nach dem Ausschalen sind dann seine Stirnseiten zu sehen. Die werden dann auf 3 bis 4 cm mit einem dicken Bohrer herausgebohrt und das Loch mit Stampflehm „gestopft“. Herausziehen wäre weit schwieriger und würde ein viel größeres Loch erzeugen.
Die Löcher der entfernten Wandschalungsanker werden möglichst sofort nach dem Ausschalen mit feuchter Lehmmasse gefüllt und optisch angepasst. „Wenn der Lehm der Wand noch plastisch ist, ist es am einfachsten“, erklärt der Fachmann. Ist dafür erst einmal keine Zeit, werden die Löcher später mit der Wasserspritze noch einmal angefeuchtet und dann geschlossen. Mit einem Fäustel wird die Masse verdichtet – wer geübt ist, macht das direkt, die anderen mit einem zusätzlichen Schlagholz zur Kraftverteilung. Um die Abriebfestigkeit zu verbessern, sprühten seine Mitarbeiter die Wände nach Retusche und Trocknen ein bis zweimal mit Carnaubawachs ein.
Fazit
Versorgt wird der Campus über das Nahwärmenetz und eine aus PV-Strom gespeiste Grundwasserwärmepumpe. So entstand ein handwerklich faszinierendes Gebäude, das zudem klima- und umweltgerecht ist. 2024 erhielt der Bildungs- und Sportcampus in Bürstadt den Metzendorf-Preis und wurde für den deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. 2023 wurde er ausgezeichnet im Rahmen der „Vorbildlichen Bauten im Land Hessen“ und erhielt 2022/23 den „Hessischen Landespreis Baukultur“.
Literatur
Hilgert, Felix: „Bauen mit Stampflehm“. Detail Praxis, 2025
Keable, Julian und Rowland: „Code of Practics“. Zweite Auflage 2011
AutorDipl.-Ing. Achim Pilz ist Architekt und Buchautor (zum Beispiel „Lehm im Innenraum“, Fraunhofer IRB Verlag) mit Schwerpunkten zu ökologischem und baubiologischem Bauen. Er lebt und arbeitet in Stuttgart. www.bau-satz.net
Lehm stampfen lernen
Die Zukunft des Stampflehmbaus steht und fällt mit der Qualifizierung von Handwerkern – neben der Weiterentwicklung der Bautechnik auch mit passenden Werkzeugen und Maschinen. Deshalb bildet Jörg Depta (www.lehmbauwerk.de ) auch für die Europäische Bildungsstätte für Lehmbau EBfL ( www.lernpunktlehm.de/de/events ) aus. In Wangelin gibt es einen der wenigen deutschen Kurse, bei denen die Teilnehmer Stampflehmwände bauen, die nicht wieder abgerissen, sondern erhalten und für die Infrastruktur der Bildungsstätte genutzt werden. Die EBfL hat ein europäisches Bildungssystem mit Prüfungen entwickelt. Das ECVET Zertifikat ist europaweit vergleichbar und entspricht dem Niveau 3 des europäischen und deutschen Qualifikationsrahmens (DQR).