Platzwechsel

Umbau und Sanierung des Lübecker Figurentheaters mit Museum

Sanierung, Rück- und Neubau, Entkernung, Haus-im-Haus-Konzept: Beim Lübecker Projekt Kolk 17 war wirklich alles dabei. Sieben Jahre dauerten die Arbeiten am Figurentheater und seinem Museum, die nun mit hervorragendem Ergebnis abgeschlossen wurden.

Das Figurentheater und sein Museum sind in Lübeck eine Institution. Alle, die in den vergangenen 50 Jahren kleine Kinder bespaßen „mussten“, waren sicher irgendwann einmal dort. Aber auch für die Erwachsenen sind die Inszenierungen mit Puppen aller Art sehr sehenswert. Und nun lohnt sich ein Besuch einmal mehr, denn seit dem Sommer ist der umfangreiche Umbau der Räumlichkeiten abgeschlossen und sowohl das Theater als auch die Museumsräume können wieder besucht werden – nun allerdings an vertauschten Orten. Wo vorher das Museum war, ist jetzt das Theater und umgekehrt. Die Bauarbeiten dauerten insgesamt sieben Jahre und umfassten zwei Neubauten, ein Haus-im-Haus sowie die Sanierung des gesamten Ensembles zwischen Kleiner Petersgrube, Pagönnienstraße und Kolk. Sieben der insgesamt neun Gebäude stehen dabei ganz oder in Teilen unter Denkmalschutz. Geplant und umgesetzt wurde das Projekt vom Büro Konermann Siegmund Architekten BDA, das bereits Ende 2017 den von der Lübecker Possehl-Stiftung ausgeschriebenen Realisierungswettbewerb gewonnen hatte.

Lage und Baugeschichte

Bauherrin des Projektes ist die Kolk 17 GmbH, wobei 17 nicht die Hausnummer eines der Gebäude ist. Läuft man den Kolk heute vom Stadtzentrum aus in südlicher Richtung hinauf, stehen die Häuser des Figurentheaters rechter Hand. Gegenüber erhebt sich eine riesige, zwei bis drei Geschosse hohe Stützmauer aus Ziegelsteinen, die den Terrainversprung zum deutlich höher gelegenen Petrikirchhof abstützt. Das Gebäude Kolk 14, in dem sich heute der Haupteingang des Theatermuseums befindet, ist ein typisches Lübecker Treppengiebelhaus, das bereits im 16. Jahrhundert erbaut wurde. Während der Bauarbeiten an dem Gebäude wurden zwei spannende archäologische Funde gemacht: Zum einen wurden Reste des vermutlich ältesten Backsteinhauses in Nordeuropa (Bauzeit etwa 1170) gefunden, zum anderen Reste einer alten Steganlage, die nahelegen, dass die Trave einst deutlich weiter östlich, also Richtung Kolk, verlief. Das erklärt auch den relativ weichen Untergrund, auf Grund dessen die Neubauten auf Pfählen gegründet werden mussten.

Das historische Eckgebäude wurde also saniert. Ebenso wie das besonders schmale Anschlussgebäude Kolk 16, das mit dem Eckgebäude, also dem Neubau an der Ecke Kolk und Kleine Petersgrube (Kolk 18) sowie dem an der Pagönnienstraße anschließenden Neubau zu einer Nutzungseinheit zusammengefasst wurden.

Über die Kleine Petersgrube hinweg, an der nächsten Ecke, Kolk 20-22, entstand nach dem Haus-im-Haus-Konzept der Museumsbau. Das historische Gebäude aus der Zeit um 1600 konnte nicht einfach auf den Rohbau reduziert werden. Aus dem Gebäude, das bereits in den 1980er Jahren komplett entkernt worden war, wurden nun sämtliche damals neu eingefügten Bauteile ausgebaut, so dass lediglich die Außenmauern stehenblieben und Platz für einen Neubau innerhalb der historischen Wände freigaben.

Historisches Eckgebäude

Die erdberührenden Wände der historischen Gebäude und des Kellers Kolk 14 mussten trockengelegt und abgedichtet werden. Dabei entschied man sich für eine 20 bis 25 cm dicke Dernoton-Abdichtung, ein mineralisches Ton-Lehm-Sand-Gemisch, das auch beim
Bau von Naturteichen Verwendung findet. Für das Einbringen der Abdichtung, beziehungsweise für das dafür notwendige Ausschachten vor den Kellerwänden, musste schrittweise, im Pilgerschrittverfahren, mit 1,25 m breiten Schachtabschnitten, vorgegangen werden. Mehrere Abschnitte durften gleichzeitig freigelegt werden, allerdings mussten zwischen den Abschnitten stets mindestens zwei ausgelassene Bereiche verbleiben. Diese konnten dann erst nach dem Verfüllen der fertigen Bereiche ausgeschachtet werden.

Wegen der Verwendung von Dernoton war eine Fugensanierung der Kellerwände nicht erforderlich, oberhalb des Terrains hingegen schon. „Das alte Mauerwerk sollte nach Möglichkeit erhalten werden. Allerdings musste dieses auf Grund des recht schlechten Zustands einerseits und der hohen zu erwartenden Nutzlasten durch Probebühne und Lager andererseits durchgreifend saniert werden“, so Tragwerksplaner Cornelius Back, dessen Büro für Statik und Brandschutz zuständig war. Die alten Zementmörtelfugen mussten ausgebaut und durch zementfreien Muschelkalkmörtel ersetzt werden. „Der Zementmörtel hat für das Mauerwerk eine zu hohe Festigkeit und ist nicht diffusionsoffen, was dazu führt, dass die Feuchtigkeit durch die Steine wieder nach außen geht. Über die Jahre platzten dadurch die Steinoberflächen weg“, so Thomas Appelt von der Firma NÜTHEN Restaurierungen aus Erfurt, die die Arbeiten ausgeführt hat. „Das wird mit dem mit der Denkmalpflege abgestimmten und von uns eingesetzten Mauer- und Fugenmörtel auf Muschelkalkbasis nicht passieren.“ Aber auch eine ganze Menge der alten Ziegelsteine mussten ausgetauscht werden. Eingesetzt wurden dafür Handstrichsteine im Klosterformat nach historischem Vorbild. Sie sind als neue Steine zwar erkennbar, haben aber durch die Art der Fertigung eine lebendige Oberfläche und einen authentischen Charakter, der sehr gut ins Gesamtbild passt.

Die Restaurierungsfirma setzte nicht nur alte Wände instand, sondern fertigte auch das Eingangsportal zum Foyer. Der knapp 5 m hohe Spitzbogen des Eingangs, der hier nun die vorherige, eckige Eingangstür ablöst, wurde dabei mit mehrfach abgewickelter Laibung hergestellt. „Durch die noch vorhandenen Reste der äußersten Staffelung des Spitzbogens konnte diese exakt rekonstruiert werden. Da es für die Form der weiteren Staffelungen keine Befunde gibt, sind die neuen frei erfunden, und zwar in einer Art, die deutlich erkennen lässt, dass es sich nicht um eine historische Staffelung handelt“, erläutert hierzu Architekt Ingo Siegmund. Das neue Portal besteht aus einer zweiflügeligen Tür mit geschlossenen Türblättern und einer ungeteilten Verglasung im Spitzbogen darüber. Links neben dem Eingang wurde die große Öffnung des Dielenfensters wieder hergestellt, wie sie für viele Lübecker Dielenhäuser typisch war.

Fenster aus Stahl

Interessant ist, dass in diesem Projekt sehr viele Fenster und Türen in Metall ausgeführt wurden. Es gibt auch historische Holzfenster, die erhalten und restauriert werden konnten. Aber insbesondere dort, wo die Fassade neu beziehungsweise abweichend von der vorherigen Anordnung gestaltet wurde, konnten nun neue Stahlfenster, einschließlich umlaufender gedämmter Stahl-Laibungen, eingesetzt werden. Auch das neue Fenster und die Eingangstür am Eckgebäude Kolk 14 sind aus Stahl.

Raumfolge

Betritt man das Gebäude durch diese Tür, steht man im Foyer und Kassenraum des Theaters, wo eine neue Stahlkonstruktion die historischen Eichenbalken der Decke trägt. Die beiden bereits erwähnten Neubauten rahmen den Altbau im Grunde ein, so dass von hier aus sowohl das Forum im Erdgeschoss des neuen Eckbaus, als auch Garderoben und Erschließung im Neubau an der Pägonnienstraße direkt erreicht werden können. Über dem 4,6 m hohen Forum befindet sich der eigentliche Theaterraum mit 125 Sitzplätzen.

Darüber, im Dachgeschoss, gibt es als kleines „Bonmot“ eine Außenbühne, die zum Plateau der Petrikirche ­orientiert ist, so dass die Zuschauer von dort aus zusehen können, wie die Puppen auf der Außenbühne ­spielen. Über dem Foyer im Altbau gibt es noch eine Probebühne, in diesem Fall einen 66 m2 großen, hellen Raum mit Holzfußboden, Sichtbalken und weiß verputzten Wänden. Im Nebenraum, der wiederum zu dem sehr schmalen Gebäude Kolk 16 gehört, befinden sich historische Wandmalereien, die vom Restaurator freigelegt, konserviert und mit Aquarell- und Gouachefarben reversibel retouchiert wurden. Die Bilder sind heute von beweglichen Glaswänden geschützt. Besonders erschwert wurde der Umgang mit dem historischen Fund dadurch, dass direkt hinter der Brandwand mit den Malereien das alte Eckgebäude abgetragen wurde. Hier musste mit entsprechender Vorsicht ein selektiver Rückbau vorgenommen werden, um die Brandwand nicht durch zu starke Erschütterungen zu belasten.

Neubauten

„Uns waren in diesem Projekt mehrere Dinge besonders wichtig: der Wechsel zwischen hohen und niedrigen, größeren und kleineren Räumen, die Schaffung vielfältiger Blickbeziehungen zwischen den verschiedenen Räumen und der Kontrast zwischen der rauen, bunten Oberfläche der Ziegel und den glatten, fast speckig glänzenden Sichtbetonwänden“, zählt Architekt Siegmund auf. „Bei der Planung der Sichtbetonwände haben wir besonderen Wert auf eine gleichmäßige Anordnung der Schalungsstöße und -anker und der darauf bezogenen Positionierung von haustechnischen Einbauten gelegt. Das war insbesondere in den miteinander verschachtelten Räumen im Treppenhaus und im nicht rechteckigen Forum sehr anspruchsvoll.“

Markant sind die großen rahmenlosen Bogenfenster im neuen Eckgebäude Kolk 18. „Es handelt sich um eine Isolierverglasung aus Ein-Scheiben-Sicherheitsglas (ESG) innen und Verbundsicherheitsglas außen, die in einem thermisch getrennten Stahlrahmen sitzen“, erklärt Stefan Fittkau, dessen Firma diese, sowie alle anderen Metallfenster, -türen und -einbaumöbel, gebaut hat. „Die Profile wurden auf die fertige Betonwand gesetzt, bevor die Klinker-Vorsatzschale von außen davor gemauert wurde. Zum Schluss wurde dann die sehr große Scheibe langsam von unten in die Rahmen eingeschoben.“ Das ging natürlich nur so lange wie hier vor den Fenstern ausgeschachtet war. Die Verglasung, das Einschieben von unten, erfolgte mit einem Spezialkran mit mehreren Glassaugbatterien. Dann wurde der untere Tragholm montiert.

Die Ausstellungsflächen im Museumsbau an der nächsten Straßenecke werden derzeit als eingestellter Stahlbetonbau innerhalb der bestehenden historischen Außenwände fertiggestellt. Die etwa 55 m2 großen Flächen befinden sich dabei fensterlos im Zentrum des Gebäudes, während die Erschließungstreppen als Doppelhelix um diesen herumgeführt werden und den Kern mit den Außenwänden verbinden.

 

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr

Kolk 17 GmbH, Lübeck, kolk17.de

Possehl-Stiftung Lübeck, www.possehl-stiftung.de

Architektur

Konermann Siegmund Architekten BDA Stadtplaner, Hamburg und Lübeck,

www.konermannsiegmund.de

Tragwerksplanung und Brandschutz

Back Ingenieure, Ingenieurbüro für Tragwerksplanung und Bauphysik, Lübeck, www.ing-back.com

Mauerwerksanierungsarbeiten

NÜTHEN Restaurierungen, Erfurt, www.nuethen.de

Rohbauarbeiten

Mickan Generalbaugesellschaft Amberg, Amberg, www.mickan-bau.de

Rückbauarbeiten

WIWA Wilko Wagner, Hamburg, wiwa-abbruch.de

Metallbau

fittkau metallgestaltung, Berlin, www.fittkau-­metallbau.de

Retusche der Wandmalerei

Jarek Kulicki MA Restaurierung, Lübeck,

www.kulicki.de

Ziegel

Cerasaga Baukeramik, Bardowick, cerasaga.com

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