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Handwerkskunst erhält Baukunst an der Fassade der Berliner Humboldt Universität

Bei der Instandsetzung der historistischen Fassade der Berliner Humboldt-Universität musste das imposante Traugesims erneuert und der Zahnfries darunter aufgearbeitet werden. Außerdem wurden die Quader aus Putzmörtel wieder hergestellt.

Das geschichtsträchtige Baudenkmal Prinz-Heinrich-Palais aus dem Jahr 1748 prägt mit seinen charakteristischen architektonischen Details wesentlich den Charakter des Straßenbildes „Unter den Linden“ in Berlin-Mitte.

Der imposante Gebäudekomplex, der aus der Vogelperspektive einem großen „H“ ähnelt, dient seit 1809 als Stätte für die studentische Ausbildung. Es beherbergt als Hauptgebäude der Humboldt-Universität Berlin seit den 60er Jahren Hörsäle, Seminarräume, die Mensa sowie Büro- und Verwaltungsräume. 

Instandsetzung der Gebäudehülle

Um den Gebäudekomplex zu erhalten und weiter zu nutzen sind regelmäßige Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten erforderlich. Im Rahmen der aktuellen Arbeiten wurden neben der Anpassung des baulichen Brandschutzes sowie der Erneuerung veralteter haustechnischer Anlagen, auch Schäden an der Gebäudehülle umfassend instandgesetzt.

Bei diesen Arbeiten stand sowohl der Erhalt des äußeren Erscheinungsbildes der Fassadenflächen im Stil des preußischen Barock-Klassizismus als auch die Nachstellung beziehungsweise Anpassung der verwendeten Putzmörtel an den bauzeitlichen Bestand im Vordergrund. In enger Abstimmung mit Planern und Ausführenden und unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Aspekte wurde bausubstanzschonend auf  Schadensbilder reagiert und die Ausführung entsprechend angepasst.

Fassade im Stil des Historismus

Der Gebäudekomplex, der ursprünglich als Stadtschloss errichtet und genutzt wurde, zeigt die typischen Merkmale der Zeit des Historismus in einer klaren und monumentalen Bauweise. Bei der Gestaltung griff man auf Elemente aus der Antike und andere frühere Bauzeiten zurück und interpretierte diese neu.

Die Fassade erscheint daher aus großen Natursteinquadern erstellt und wird von massiven Säulen gestützt, die an antike Tempelbauten erinnern. Besonders beeindruckend wirken die Abschnitte der Fassade oberhalb der Halbsäulen. Der Gebäudeabschluss geht hier über ein imposantes Gesims, gestützt auf Zahnfriesen in eine umlaufende Balustrade über, die die verspielten und geschwungenen Elemente aus dem Barock widerspiegeln.

Erneuerung des Traufgesimsprofils

Die Erneuerung des imposanten Traufgesimsprofils mit einer Abwicklung von etwa 1,70 m erforderte ein sehr hohes Maß an handwerklichem Geschick in Planung, Vorbereitung und Ausführung. Vor Beginn der Arbeiten musste das Profil abgenommen und entsprechende Zugschablonen gefertigt werden.

Nach dem vollständigen Rückbau des beschädigten Altgesimses erfolgte die Herstellung der neuen Unterkonstruktion in Form eines Edelstahlgeflechts mit Rippenstreckmetall. Der entstandene Hohlraum wurde anschließend mit einem Dämmstoffkeil verfüllt, um die Bildung von Kondensat wirksam zu verhindern.

Der Lattengang für die Zugarbeiten wurde entlang der Unterkonstruktion befestigt. Der Materialantrag des Putz- beziehungsweise Stuckmörtels erfolgte auf der Unterkonstruktion in mehreren Arbeitsgängen, um die Grundform herzustellen. Dazu benutzt man eine gesonderte Zugschablone, die die Grundform der späteren Abwicklung ausformt und so einen optimalen Untergrund für die spätere feine Ausformung der fertigen Abwicklung sicherstellt. Der Feinzug der Oberfläche erfolgt im Regelfall nach der vollständigen Erhärtung des Grobzuges. Da dies meist mehrere Wochen erfordert, bedeutet das, dass der Lattengang neu ausgerichtet beziehungsweise erneuert werden muss, um eine genaue Ausführung des Feinzuges in einer möglichst gleichmäßigen Schichtdicke sicherzustellen.

Aufarbeitung der Zahnfrieselemente

Erhaltensfähige Zahnfrieselemente wurden aufgearbeitet und fehlende Elemente in der Werkstatt neu hergestellt. Stahlanker sichern Elemente über die Gesimskonstruktion am Untergrund. Mittels Feinputzmörtel wurden alle Anschlussbereiche an die Fläche nachgearbeitet und angepasst.

Final erfolgte der Auftrag eines Schlämmanstrichs und einer Lasur, um den optischen Gesamteindruck harmonisch an das historische Bild der ursprünglichen Fassade anzupassen.

Quader aus Putzmörtel

Die Quader an den Fassadenflächen bestehen nicht aus massivem Naturstein, sondern entstehen durch den Antrag mineralischer Putzmörtel und ganz viel handwerklichem Geschick. So werden Schicht für Schicht die einzelnen Blöcke größer und die Fugen erhalten nach und nach ihre Form – entweder gerade und scharfkantig oder mit organischem Schwung.  Alle geschädigten und nicht erhaltensfähigen Putzflächen einschließlich der betroffenen Gesimse wurden entfernt, der Untergrund von losen und nicht tragfähigen Bestandteilen gereinigt.

Zur Egalisierung des Saugverhaltens und zur Verbesserung der Haftung nachfolgender Putzschichten brachten die Handwerkerinnen und Handwerker einen Spritzbewurf auf. Anschließend applizierten sie einen Putzmörtel mit an den Bestand angepasster Körnung. So konnte sichergestellt werden, dass die Oberflächenwirkung nach dem Abreiben der neuen Flächen den erhaltenen Bestandsflächen nahekommt.

Die Quaderungen im unteren Abschnitt der Fassade wurden aufgrund der hohen Schichtdicken mehrlagig ausgeführt. Durch diese mehrlagige Verarbeitung mit entsprechender Zwischenstandzeit ist sichergestellt, dass die üblichen materialbedingten Schwindspannungen gut abgebaut werden konnten. Dadurch konnte das Risiko von Rissbildungen innerhalb der Putzschicht deutlich reduziert werden.

Die Nutungen der Quaderungen zogen die Handwerker im frischen Mörtel an einem Lattengang mit einer Stuckschablone. Die Form der Fuge wurde zuvor vom Bestand abgenommen und die benötigte Zugschablone genau nachgebaut, um die gleiche Struktur beziehungsweise Abwicklung nachbilden zu können.

Die feinen Nutungen im oberen Bereich der Fassade sind das Ergebnis des Einsatzes einer Schlinge, mit der der frische Mörtel in Form geschnitten wurde. Die Oberfläche der Quader ist mit einem feinkörnigen Mörtel abgerieben und die Kanten dabei scharfkantig konturiert worden.

 

Autoren

Constance Brade ist in der Bauberatung und Detlef Trinks als Verkaufs-Fachberater bei der Baumit GmbH in Bad Hindelang tätig.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin

Planung Ingrid Hentschel - Prof. Axel Oestreich Architekten BDA, Berlin, www.hentschel-oestreich.de

Putz- und Stuckarbeiten Universal-Putz, St. Egidien, www.uni-putz.de

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