Mehr tödliche Unfälle auf Baustellen

Von Michaela Podschun

Die Unfall-Bilanz der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) zeigt Licht und Schatten: Im Jahr 2020 gab es weniger Arbeitsunfälle als 2019. Allerdings ist die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle deutlich gestiegen. Insgesamt 97 Handwerker kamen im vergangenen Jahr durch einen Arbeitsunfall ums Leben, viele davon durch einen Absturz.

Der neue Hauptgeschäftsführer der BG Bau, Hansjörg Schmidt-Kraepelin, stellte die Zahlen im Detail vor. Insgesamt sank die Anzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und bei den baunahen Dienstleistungen von 106.774 im Jahr 2019 auf 103.970 im Jahr 2020 (Rückgang um rund 2,6 Prozent). Auch die meldepflichtigen Wegeunfälle gingen zurück. Sie lagen mit 7.723 Unfällen knapp zehn Prozent unter dem Wert von 2019. Allerdings: Im Jahr 2020 haben auf deutschen Baustellen insgesamt 97 Beschäftigte infolge eines Arbeitsunfalls ihr Leben verloren – 27 mehr als 2019. Dagegen liegt die Zahl der tödlichen Wegeunfälle (2019: 21 / 2020: 19) knapp unter dem Vorjahresniveau.

Bei Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen: Mit 15.821 Verdachtsanzeigen im Jahr 2020 stieg die Zahl um rund 0,8 Prozent im Vergleich zu 2019. Die am häufigsten gemeldeten Verdachtsfälle sind der weiße Hautkrebs (Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratose) (2.768), Lärmschwerhörigkeit (2.686) und Lungenkrebs in Verbindung mit Asbest (1.411).

„Beim Arbeitsschutz noch bessern werden“

„Die Zahlen zeigen: Noch immer ist das Unfallgeschehen auf den Baustellen zu hoch. Beim Arbeitsschutz müssen wir alle gemeinsam noch besser werden. Die Bauwirtschaft ist zudem recht gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Wir hatten keinerlei Hot-Spots“, zog Schmidt-Kraepelin eine positive Bilanz. Ein Grund sieht er in dem Arbeiten im Freien, das eine Ansteckung verringere. Die BG Bau lobte zudem alle Unternehmen, die sofort reagiert hätten, und Hygienekonzepte umgesetzt hätten.

Bernhard Arenz, Leiter der Hauptabteilung Prävention der BG Bau, zeigte auf, dass die häufigste Ursache für tödliche Arbeitsunfälle der Absturz von Dächern, Gerüsten und Leitern ist. Daher lege die BG Bau ihr Hauptaugenmerk auf die Prävention. „Abstürze sind durch die Einhaltung weniger einfacher Regeln vermeidbar. Die Sicherung vor Abstürzen muss überall selbstverständlich sein. Dafür setzen wir uns ein“, sagte Arenz. Oftmals stoße man auf Widerstand. Arenz erinnerte daran, dass beispielsweise nur noch Leiter erlaubt seien, auf den Handwerker mit beiden Füßen sicher stehen. Sprossen-Leitern seien nicht mehr zulässig. Insgesamt müsse ein Bewusstsein für Gefahren geschaffen werden. „Was die Atemwegserkrankungen anbelangt, hat sich beispielsweise das staubfreie Arbeiten etabliert“, fügte er an.

Plattform-Leiter auf der Baustelle getestet

Gerd Renz, Zimmerermeister und Präsident des Verbandes des Zimmerer- und Holzbaugewerbes Baden-Württemberg, berichtete, dass am Runden Tisch „Wir zimmern sicher!“ gemeinsam mit Praktikern aus dem Zimmererhandwerk und aus dem Holzbau praxisnahe und wirksame Lösungen entwickelt wurden. „Plattform-Leiter oder Life-Lines haben wir direkt auf der Baustelle getestet. Es ist eine große Aufgabe, Unternehmer zu sensibilisieren und Mitarbeiter mitzunehmen“, sagte Renz. Er warnte vor falschem Heldentum.  „Das Bewusstsein für die Risiken muss in die Köpfe der Menschen – nur wenn alle den Sinn von Arbeitsschutz erkennen, wird sich etwas am Verhalten ändern. Dazu müssen wir alle beitragen. Wir müssen Sicherheit vorleben und weg vom falschen Heldentum. Cool ist, wer sich sichert – und nicht wer sich traut, ohne Absicherung nach ganz oben zu klettern.“ Gerade bei den jüngeren Leuten beobachtet er einen Sinneswandel.

Bernhard Arenz nahm kleinere Betriebe in den Fokus, die eine deutlich höhere Gefahr für Arbeitsunfällen hätten. Warum? Ein Grund ist für Gerd Renz die Arbeitsorganisation. Bei kleineren Betrieben kommen auf einzelne Mitarbeiter eine Vielzahl an Aufgaben zu. Arenz verwies auf die Aufsichtspersonen, die auf Baustellen Präsenz zeigen und insgesamt gut ankommen. „Die Firmen haben das Gefühl, dass wir uns kümmern.“

Die BG BAU unterstützt nicht nur mit Beratung und Information, sondern auch finanziell: Unternehmen, die in technische Schutzmaßnahmen investieren, können Fördermittel der BG Bau erhalten. Mit ihren Arbeitsschutzprämien bezuschusst die BG Bau unter anderem Seitenschutzvorrichtungen, Montage-Sicherungsgeländer für Gerüste oder Podest-Leitern und Ein-Personen-Gerüste. Info-Material gibt es hier.

www.bgbau.de

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.


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