11. PaXclassic-Fachtagung: Denkmalanforderungen und Komfort im Einklang

Manchmal muss man ein zweites Mal hinschauen, um dahinter zu kommen, weshalb das eine Baudenkmal so sehr authentisch wirkt und das andere, ebenfalls aufwendig restaurierte Gebäude, irgendwie falsch. In vielen dieser Fälle machen die Fenster den Unterschied. Da früher großforma­tige Glasscheiben technisch nicht machbar beziehungsweise unerschwinglich gewesen wären, sind historische Fenster in der Regel durch Sprossen und separate Flügel gegliedert. Einflügelige Fenster wirken in historischen Fassaden daher deplatziert und sehen aus, wie schwarze Löcher. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn modernes Material (Kunststoff), zu dicke Profile und modernes Floatglas verwendet werden.

Ein denkmalgerechtes Erscheinungsbild mit aktuellen bauphysikalischen und technischen Anforderungen sowie den Erwartungen der Nutzer im Hinblick auf Komfort in Einklang zu bringen ist eine Herausforderung, der die Ingel­heimer Pax AG mit ihren „PaXclassic“-Sonderkonstruktionen begegnet.

Diese, sich teilweise widersprechenden Anforderungen an die technische und gestalterische Ausführung von Denkmalfenstern zog sich auch wie ein Roter Faden durch das Programm der 11. PaXclassic-Fachtagung, die in diesem Jahr im niedersächsischen Alfeld an der Leine stattfand. Nachdem Pro. Dr. Thomas Feltes von der Ruhr Universität Bochum den zahlreichen Teilnehmern zunächst erläutert hatte, wie Einbrecher vorgehen und wie man sich schützen kann (Licht hilft nicht, Alarmanlagen wirken sogar eher einladend; aufmerksame Nachbarn und bauliche Maßnahmen sind besser), konnten sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie viel Zeit und Mühe es selbst für die „Einbruchsprofis“ des Entwicklungs- und Prüflabors Holztechnologie Dresden bedurfte, ein denkmalgerechtes RC2 Holzfenster zu überwinden.

Den Schwerpunkt des zweiten Veranstaltungstages bildete das Dom-Römer-Projekt in Frankfurt mit seinem prominentesten Gebäude, der „Goldenen Waage“, in der Kastenfenster aus dem Hause Pax verbaut wurden. Prof. Jochem Jourdan berichtete über die Rekonstruktion des im Krieg zerstörten Stadtteils und der legendären Immobilie, die in echter handwerklicher Ausführung als Fachwerkgebäude wieder errichtet wurde. Wir werden über dieses Thema noch ausführlich in der Ausgabe bauhandwerk 7-8.2018 berichten.

Nachdem die Fachtagung am ersten Tag im von Bauhaus-Architekt Walter Gropius entworfenen Fargus Werk Alfeld zu Gast war, fand der zweite Tag im Schott Werk im benachbarten Grünenplan statt. Hier wird nicht nur interferenzoptisch entspiegeltes Glas für moderne Anwendungen her-
gestellt, sondern auch Restaurierungsgläser, die unter Markennamen wie „Goetheglas“, „Restover“ oder „Tikana“ vertrieben werden. Ein Verfahren zur Herstellung solcher Gläser ist das Fourcaultverfahren, bei dem das Glas aus der Schmelze senkrecht nach oben gezogen wird und dabei abkühlt. Bis weit in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts war diese Technologie üblich, die mittlerweile von dem Floatverfahren abgelöst wurde.

Nachdem die Teilnehmer den eindrucksvollen Produktionsprozess mit eigenen Augen erleben konnten, warnte Ulrich Huber von der Schott AG Mainz allerdings davor, historisch anmutende Gläser allzu inflationär zu verbauen. Es gelte, nicht nur die Bauzeit und den historischen Kontext des Gebäudes zu würdigen, sondern auch dessen Nutzung. „In Büros oder Wohngebäuden sollte man lieber Gläser mit weniger Welligkeit und Struktur verwenden, da sonst der Ausblick gestört wird“, sagte Huber. Auch die Ziehrichtung des Glases sei wichtig. So falle die Welligkeit mehr auf, wenn das Glas in Ziehrichtung horizontal eingebaut werde.

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