Akustisches Klappdeckensystem

Das in den 1970er Jahren erbaute Bürgerhaus in Lohfelden setzte mit seiner markant polygonalen Architektur einst Maßstäbe. Im Zuge der Sanierung sollten der inzwischen jedoch für viele Besucher nicht mehr zeitgemäße Ausbaustil modernisiert und gleichzeitig die Raumakustik verbessert werden.

Für den trockenen Innenausbau des Bürgerhauses der Stadt Lohfelden sowie für die Umsetzung des entwickelten Akustikkonzeptes engagierte man mit der Okel GmbH & Co. KG aus Diemelstadt ein Unternehmen, das für seine ideenreichen Ausbaulösungen bekannt ist. Ein gute Wahl, wie auch die Jury der Rigips Trophy ´09 befand: Sie kürte das Team um Geschäftsführer Burkhard Okel mit seiner Leistung im Bürgerhaus zum Gewinner in der Wettbewerbskategorie Innovation.

Foyer mit Glasgranulatplatten und Akustikputz

Das Bürgerhaus Lohfelden besteht aus einem großen und zwei angrenzenden kleineren Veranstaltungssälen. Neben diesen sollten auch das Foyer sowie die Gastronomie im Rahmen der geplanten Modernisierung zeitgemäß und hochwertig gestaltet werden. Das durchschnittlich rund 20 Mann starke Baustellenteam von Burkhard Okel begann mit seinen Arbeiten im Foyer. „Wir haben uns zunächst mit den Wand- und Deckenbekleidungen im Empfangsbereich beschäftigt“, erinnert sich der Unternehmer. „Unter anderem haben wir hierfür eine glatte Unterdecke mit unregelmäßigen Deckendurchdringungen realisiert. Diese fungieren als Lichtschächte und werden von zweilagigen Lichtelementen in unterschiedlichen Grundformen – als Rahmen-/Keder-Konstruktion mit Lichtfiltermembran – ganzflächig und schattenfrei indirekt hinterleuchtet. Durch die Verwendung von Glasgranulatplatten und einem Akustikputz haben wir hier im Foyer für eine akustisch wirksame Ausführung gesorgt.“ 

 

Jetzt auch für Musikdarbietungen akustisch geeignet

Ein vorab vom Ingenieurbüro ib/K erstelltes Gutachten motivierte die Bauherren, einen Schwerpunkt bei der Modernisierung auf eine bessere Raumakustik auch insbesondere in den drei Veranstaltungssälen zu legen: Der große Bürgersaal, der mit zwei kleineren Sälen verbunden und dadurch erweitert werden kann, wird für Bürgerversammlungen, Vorträge, Seminare, Feiern und Theateraufführungen, aber zunehmend auch für Konzerte genutzt. ib/K-Geschäftsführer, Dipl.-Ing. Ralph Kettenis, sah vor allem hierfür erhebliche Verbesserungspotenziale: „Für Seminare oder Bürgerversammlungen ergaben unsere Messungen eine befriedigende akustische Qualität. Eine Qualität, die jedoch schon bei Theateraufführungen aufgrund mangelnder Sprachverständlichkeit an ihre Grenzen stieß. Für konzertante Musikdarbietungen war der Saal in seiner alten Form vollkommen ungeeignet. Die Nachhallzeiten waren zu kurz, durch die starke Raumbedämpfung war der Klang sehr trocken und unschön. Kammermusikvorträge und Gesang wurden darüber hinaus als zu leise wahrgenommen und zwischen den harten Wandflächen konnten Flatterechos entstehen.“

Entsprechend dieser Ergebnisse und den aufgezeigten Optimierungsmöglichkeiten entschied sich der Bauherr für die Investition in das vorgeschlagene Akustikkonzept. Sein Kernstück stellt ein variables Akustiksystem dar, mit dem unter anderem die Nachhallzeit in allen drei Sälen per Knopfdruck auf die jeweilige Nutzungsart hin angepasst werden kann.

„Mit dem großen und den zwei kleineren, ankoppelbaren Sälen boten die Räumlichkeiten bereits eine gute Voraussetzung dafür, flexibel auf unterschiedliche Veranstaltungsarten zu reagieren. Eine Flexibilität, die sich nach der Modernisierung auch in einer regelbaren Raumakustik niederschlagen sollte“, berichtet Burkhard Okel. „Der Einbau eines variablen Akustiksystems ermöglicht es heute, wichtige Schallkomponenten wie die Nachhallzeit, das Verhältnis zwischen den früh und spät beim Hörer eintreffenden Schallanteilen sowie die Schallreflexionswege und die Lautstärke eines Sprechers, Musikers oder Orchesters zu beeinflussen.“


Schalldurchlässige Pyramidendecke

Für ein Maximum an Flexibilität und Regelbarkeit der Raumakustik sorgt ein ebenso effektives wie neues Deckensystem, dessen besondere Raffinesse sich dem Auge des Betrachters entzieht. Für den Besucher sichtbar ist zunächst nur ein Raster aus rhombusbasierten Pyramiden, die mit einer milchglasähnlich lichtdurchlässigen Membran bespannt wurden, die ihrerseits akustisch zu 98 Prozent transparent ist. Dieser sichtbare Teil der Deckenkonstruktion setzt gestalterische Elemente des Saals in dem Pyramidenraster fort und verbirgt Komponenten der szenischen Beleuchtung. Die einzelnen Deckenfelder können nach Bedarf motorisch geöffnet werden, so dass die Beleuchtungstechnik nur bei entsprechender Nutzung sichtbar wird.


Stufenlos verstellbare Drehflügel

Akustisch wirksam ist erst die „sägezahnförmige“ Unterdecke aus Gipsplattenelementen vor einem mit Mineralfaser bedämpften Hohlraum: Während die zur Saalrückwand orientierten Gipsplatten in dieser Unterdecke starr befestigt sind, sind die zur Bühne gerichteten Elemente drehbar gelagert und können mit Hilfe eines mit einem Elektromotor gesteuerten Antriebs verschiedene Öffnungsgrade annehmen. Insbesondere bei geringer Öffnung der Drehflügel wirkt die Decke so als großer Kasten-Resonator, der vor allem die tiefen Frequenzen absorbiert, ohne die Höhen zu überdämpfen. Dadurch findet eine günstige Angleichung und Verkürzung der Nachhallzeitlänge auf allen Frequenzen statt. Um möglichst lange Nachhallzeiten zu erreichen, werden die Drehklappen vollständig geschlossen. In alle Kanten der Festelemente arbeitete das Team um Burkhard Okel Profildichtungen ein, die einen wirklich luftdichten Anschluss an die Drehflügel garantieren.

 

Patentiertes Klappdeckensystem

Dieses raffinierte Klappdeckensystem wurde zuvor für ein Konzerttheater-Projekt von den Architekten Ulrich Bock und Meinhard Neuhaus zusammen mit Ralph Kettenis entwickelt und patentiert. Für die komplexe Deckensituationen im Bürgerhaus Lohfelden entwarf der Architekt Henry Koch in enger Abstimmung mit Okel eine individuelle Lösung. Burk-
hard Okel beschreibt die Modifikationen: „Die gesamte Konstruktion wurde von uns dahingehend verändert, dass alle tragenden Unterkonstruktionen der Kasten-Resonatoren mit besonders leistungsfähigen Trockenbaumaterialien realisiert werden konnten. So erhielten die Gefache – die später die jeweils etwa 50 kg schweren, drehbaren Deckenelemente aufnahmen – mit der Rigips-Schallschutzplatte ,Die Blaue’ bekleidete Leimbinder, so dass die Achsbohrungen für die Drehlageraufnahmen der Deckenflügel vor Ort mit Laserhilfen präzise gebohrt werden konnten. Die Deckenflügel selbst haben wir in unserer Werkstatt weitestgehend vorgefertigt. Auch die Flügel profitieren, beidseitig mit 12,5 mm beplankt, von den hervorragenden Schallschutzeigenschaften der ,Blauen’.“ Nach der Montage erhielten die Elemente abschließend einen dunklen Farbanstrich.

Die insgesamt 76 Drehflügel (Abmessungen 2380 mm x 800 mm) können mechanisch stufenlos gekippt werden, wobei jede Achse, bestehend aus drei Flügelreihen, getrennt ansteuerbar ist. Die Bedienung der Flügel erfolgt über ein Touch-Screen-Element im Regieraum: Mit Symbolen, die die gewünschte Veranstaltungsform repräsentieren, können die einmal eingemessenen und abgespeicherten Flügelstellungen bedienerfreundlich, schnell und exakt abgerufen werden. Das akustische „Gesicht“ des Raumes ändert sich so in wenigen Sekunden.

 

Das Zusammenspiel ist entscheidend

„Das Deckensystem ist – sicht- und hörbar – sicherlich das auffälligste Merkmal des ,neuen’ Bürgerhauses. Die raumakustischen Verbesserungen entstehen aber erst im Zusammenspiel mit weiteren Elementen“, lenkt Burkhard Okel die Aufmerksamkeit auf weitere Projektdetails. So bilden etwa die Wandflächen ebenfalls einen wichtigen Bestandteil bei der Nachhallzeitenregulierung. Die Massivwände wurden am Sockel mit glatten und ab einer Höhe von 1,50 m mit gelochten Rigiton-Gipsplatten bekleidet. Alle Hohlräume dahinter erhielten eine Mineralfaserdämmung. Eine feinkörnige Akustikbeschichtung erzeugt über beide Plattentypen hinweg eine homogene Oberfläche. Die Wandbekleidungen sind für sich genommen nicht akustisch flexibel. Ihr Absorptionsverhalten kann jedoch durch die mobilen Trennwände zwischen dem großen und den zwei kleineren Sälen reguliert werden. Diese bestehen aus drehbaren Einzelelementen mit einer absorbierenden und einer reflektierenden Seite, die je nach Bedarf vor die Rückwände der kleinen Säle geschoben werden.

 

Deckensegel über der Bühne

Unter der geneigten Dachfläche über der Bühne wurden zusätzlich drei Schallsegel mit einer Breite von jeweils 1300 mm in unterschiedlichen Längen (6350 mm, 7500 mm und 9150 mm) montiert. Die Schallreflektoren erstellte das Ausbauteam aus verschweißten Stahlprofilen, die zuvor in der Werkstatt maschinell vorgebogen wurden. Die Beplankung erfolgte mit glatten Gipsplatten. Absorbierende und reflektierende Vorhänge vor den Fenstern und auf der Bühne, die auf Wunsch vollständig geöffnet werden können, komplettieren das flexible Raumakustikkonzept.

In den beiden kleinen Sälen, die bei separater Nutzung vor allem für Sprachveranstaltungen genutzt werden und daher kürzerer Nachhallzeiten bedürfen, wurden in Teilen Abhangdecken eingezogen. Diese bestehen wie die Wandbekleidungen aus im Wechsel gelochten Rigiton-Platten und ungelochten Platten mit einer durchgängigen Akustikbeschichtung.

 

Jury lobt den Trockenbaubetrieb

Einstimmig fiel die Entscheidung der Fachjury in der Rigips Trophy: Mit den im Bürgerhaus Lohfelden gezeigten Leistungen ist die Okel GmbH & Co. KG ein mehr als würdiger Gewinner der Kategorie Innovation. Die Jury lobte zum einen die fachkundige handwerkliche Umsetzung der gesamten Modernisierung. Zum anderen bewertete sie die eigeninitiative Weiterentwicklung eines bestehenden Akustikkonzeptes als beeindruckenden Beweis für ein hohes Maß an Innovationskraft und für die Freude daran, neue Lösungen zu suchen und zu finden. Eine Würdigung, die Burkhard Okel ganz besonders freut. „Die intensive Zusammenarbeit zwischen allen Baubeteiligten bereits ab der Entwurfsphase beförderte die optimale Koordination der gestalterischen Planungen und Ausführungen. Der erfindungsreiche Einsatz ,herkömmlicher’ Gipsplatten in verschiedenen, eng miteinander verzahnten Akustiksystemen führte aus meiner Sicht zu der akustisch und technisch hochwertigen Gesamtlösung.“

Für Theateraufführungen und Konzerte war der alte Bürgersaal akustisch nicht geeignet

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