Grundlagen der energetischen Sanierung von Altbauten

Bei der energetischen Sanierung von Gebäuden müssen viele Faktoren beachtet werden, damit die Maßnahmen technisch und wirtschaftlich funktionieren. In einer dreiteiligen Artikelserie vermitteln wir Faktenwissen, um gemeinsam mit den Bauherren maßgeschneiderte Konzepte zu entwickeln. Teil 1: die Grundlagen.

Obwohl die Dämmung der Gebäudehülle nachweislich die wirksamste Methode ist, den Energiebedarf eines Gebäudes und damit auch den CO2-Ausstoß zu senken, gerät sie immer wieder in die Kritik. Obgleich die meisten Argumente der so genannten „Dämmkritiker“ einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten, gibt es natürlich tatsächlich Beispiele für misslungene Projekte. Grund dafür, dass eine Dämmung nicht funktioniert, unwirtschaftlich ist oder sich Schimmel oder Algen bilden, sind in der Regel Planungs- und Ausführungsmängel. In einer dreiteiligen Artikelserie wollen wir Wissen vermitteln und Argumentationshilfen anbieten, um Bauherren maßgeschneiderte Konzepte anbieten zu können, die nicht nur im Hinblick auf die vorhandene Gebäude-
substanz, sondern auch bezüglich der kurzfristigen und langfristigen Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen am besten zu den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Kunden passen. Das ist nicht nur fachlich spannender und anspruchsvoller, als Standardlösungen anzubieten, es ist für die Handwerker auch lukrativer. Im ersten Teil der Serie widmen wir uns den Grundlagen der nachträglichen Wärmedämmung von Altbauten: Worauf muss geachtet werden? Welche Prinzipien liegen der energetischen Sanierung eines Gebäudes mit einer Wärmedämmung zugrunde?

Für die energetische Sanierung von Altbauten gilt der folgende Fahrplan:

Zunächst einmal muss der Heizenergiebedarf des Gebäudes reduziert werden. Dies geschieht durch Optimierung der Gebäudehülle (Wand, Dach, Decken, Fenster) und durch Verbesserung der Luftdichtigkeit.

Im zweiten Schritt sollte die Heiztechnik optimiert werden (zum Beispiel durch hydraulischen Abgleich und durch Abstimmung der Heiztechnik auf den Heizwärmebedarf).

Der dritte Schritt erfolgt durch den Einsatz von erneuerbaren Energien.

Bei vielen Sanierungsprojekten wird diese Reihenfolge umgedreht oder Punkt 1 – die Dämmung – vernachlässigt. Dadurch besteht dann aber die Gefahr, dass die Maßnahmen sehr teuer werden oder komplett unwirksam sind. So kann beispielsweise der Einsatz einer Erdwärmepumpe bei einem ungedämmten Haus dazu führen, dass sich, wegen des großen Wärmebedarfs, um die Erdsonde eine Eisschicht bildet – was wiederum in der Folge hohen Stromkosten führt. Dazu kommt, dass die Jahresarbeitszahl (JAZ) einer Wärmepumpe bei einem schlecht gedämmten Haus sinkt – sie arbeitet im unwirtschaftlichen Bereich. Auch müsste bei einem Gebäude, bei dem ein hydraulischer Abgleich durchgeführt wurde und an dem später eine Wärmedämmung ausgeführt wird, dieser ein zweites Mal gemacht werden. Auch das ist unwirtschaftlich.

Was sind jetzt die Prinzipien, die einer nachträglichen Wärmedämmung zugrundeliegen?

1. Beachtung von Baurecht und Bauphysik

2. Erzielung des bestmöglichen Dämmstandards

3. Langfristiger Betrachtungszeitraum

4. Gegebenenfalls der Verbleib von alten Dämmmaterialien in der Konstruktion

5. Geringstmögliche Kosten

6. Dämmung auf der kalten Seite des Bauteils

7. Dämmung des beheizten Raumes

8. Ermittlung von Hohlschichten im Bauteil

9. Falls bauseits erforderlich – die schlankeste Konstruktion

10.Wahl des jeweils passendsten Dämmstoffs

1. Beachtung von Baurecht und Bauphysik

Bei einer nachträglichen Wärmedämmung muss beachtet werden,

dass nur Dämmstoffe eingesetzt werden dürfen, die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung AbZ oder eine ETA-Zulassung besitzen

dass die jeweils gültigen Werte der EnEV einzuhalten sind. Dafür haftet der Handwerker mit seiner Fachunternehmererklärung oder der planende Energieberater. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 50 000 Euro

dass bei der jeweiligen Dämmung gegebenenfalls Brand- und Feuchteschutz sowie für die Konstruktion gültige DIN-Normen eingehalten werden müssen. Auch muss überprüft werden, ob der verwendete Dämmstoff überhaupt für das jeweilige Bauteil geeignet ist: Verputzbare harte Platten gehören an die Außenwand, in den Rollladenkasten, die nachträglich gedämmte Bodentreppe und  unter die Kellerdecke. Für die Dämmung von Sparrenzwischenräumen sind sie nicht geeignet. Flexible Matten können als Zwischensparrendämmung und zur Dämmung der obersten Geschossdecke (OGD) eingesetzt werden. Einblasdämmstoffe können zur Verfüllung von Hohlräumen im jeweiligen Bauteil, zur Dämmung von Dachböden, Nagelbinderkonstruktionen und in vorgefertigte Gefache an der Außenwand eingebracht werden

2. Erzielung des bestmöglichen Dämmstandards für das jeweilige Bauteil

Abgesehen davon, dass bessere Werte, als die EnEV vorschreibt, vom Staat mit 20 Prozent gefördert werden (KfW-Förderung, Steuerförderung nach §35 c EStG) sollte bedacht werden, dass ein einmal gedämmtes Bauteil unter wirtschaftlichen Bedingungen später niemals noch besser gedämmt werden kann. Auch sind bei vielen Dämmverfahren die Fixkosten (Erstellung der Konstruktion und sonstige Kosten) um ein Vielfaches höher als die Dämmstoffkosten. Bei einem WDVS beispielsweise betragen die „sowieso-Kosten“ (Gerüst, Vorbehandlung der Wand, Installationskosten der Dämmung, Putz, Armierungsgewebe, Oberputz) bis zu 80 Prozent. Daher gilt grundsätzlich: Nicht kleckern – sondern klotzen!

3. Langfristiger Betrachtungszeitraum

Die Dämmung bezahlt man einmal – sie wirkt jedoch in der Regel so lange, wie das Gebäude/Bauteil besteht. Über 50 Jahre! Weiß man, wie sich die Energiekosten in diesem Zeitraum entwickeln? Fest steht, dass ab 2021 die CO2-Abgabe greift (25 Euro pro Tonne im  Jahr bis hin zu 65 Euro pro Tonne im  Jahr). Daher ist es falsch, jetzt am Dämmstoff (seiner Dicke oder seiner Qualität) zu sparen. Auf 50 Jahre hin gesehen ist die Dämmung der OGD in einer Dicke von 40 cm die wirtschaftlichste Maßnahme (erst Recht, wenn man die Förderung, die ab einer Dämmdicke von 27 cm für die entstehenden Vollkosten greift, mit in Betracht zieht).

Übrigens: In Frankreich und Skandinavien wird dieses Bauteil grundsätzlich mit mindestens 40 cm Dicke gedämmt!

4. Verbleib von alten Dämmmaterialien
in der Konstruktion

Alte, krebserregende Glaswolle aus Dachgefachen muss unter Beachtung der einschlägigen Sicherheitsvorkehrungen entfernt werden. Vorhandene Glas- oder Steinwolle in geschlossenen Holzbalkendecken oder teilweise Dämmung in zweischaligem Mauerwerk kann jedoch nicht entfernt werden. Es ist aus Kostengründen, aber auch aus Gründen der Ökologie, empfehlenswert, diese Dämmstoffe an Ort und Stelle zu belassen. Sie dämmen ja – und „beißen sich nicht“ mit den zusätzlich eingebrachten Dämmstoffen.

5. Geringstmögliche Kosten

Man kann Brötchen holen: mit dem Taxi, mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Am wirtschaftlichsten ist es mit den letzten beiden Varianten. Genauso ist es mit dem Dämmstoff. Die Kubikmeter-Kosten eines Dämmstoffs reichen von 30 Euro (Zellulose) bis hin zu 7000 Euro (Vakuum). Dazwischen liegen alle anderen Dämmstoffe.

Wenn viel Platz zur Verfügung steht (OGD), sollte man den kostengünstigsten Dämmstoff wählen (Zellulose, WLS 039), den aber möglichst dick (40 cm). Polystyrol oder Steinwolle dämmen zwar auch, sind aber für den  Anwendungsfall „obere Geschossdecke“ überqualifiziert und damit zu teuer.

6. Dämmung „auf der kalten Seite“ des Bauteils

Immer wieder liest und hört man das Märchen, dass Dämmung Schimmel produziere. Wenn Dämmung auf der kalten Seite des Bauteils montiert wird, ist die Konstruktion so gut wie immer tauwasserfrei – Schimmel kann nicht entstehen. Nur bei der manchmal unerlässlichen Innendämmung kann Tauwasser entstehen. Daher gehört diese Dämmung in die Hand von erfahrenen Fachleuten, und es sollten auch nur kapillaraktive Dämmstoffe eingesetzt werden.

7. Dämmung des beheizten Raums

Schornsteinfeger berichten, dass bei bis zu 30 Prozent der von ihnen besuchten, nicht bewohnten und nicht beheizten Spitzböden Dämmstoffe „irgendwie“ in die Dachschrägen „gefummelt“ worden seien. Abgesehen von der Unwirksamkeit dieser Dämmung (fehlende Luftdichtheit, Schlitze, Spalten und Löcher) folgendes Gedankenexperiment:

Gegeben seien zwei identische Gebäude. Bei beiden soll der Spitzboden nicht beheizt werden. Hausbesitzer 1 (rot)  dämmt das Dach. Hausbesitzer 2 (grün) nur die OGD. Jetzt eine (völlig unrealistische) Annahme: Nach Abschluss der Arbeiten hätten beide dieselbe Heizenergieeinsparung. Frage: Wer hat mehr bezahlt, und wieviel?

Antwort: Hausbesitzer 1 hat bis zu 15 x so viel Geld ausgegeben wie sein Nachbar! Denn: Die zu dämmende Fläche ist – abhängig von der Dachneigung – bis doppelt so groß, er muss also doppelt so viel Dämmstoff einkaufen und einbauten lassen. Bitte beachten: Die Giebelwand muss auch (innen) gedämmt werden, sonst kommt man nicht zu dem vorgegebenen Ergebnis!

Der Arbeitsaufwand für eine wirksame Dachdämmung ist mindestens drei bis vier mal so hoch und damit erheblich teurer. Auch ein luftdicht angeschlossenes Dachflächenfenster in Passivhaus-Qualität (blau) muss eingebaut werden. Nicht ganz billig.

Die Abstrahlfläche gegen Außenluft ist bis doppelt so hoch wie bei der Dämmung der OGD. Deshalb muss, um auf die geplante Energieeinsparung zu kommen, doppelt so viel gedämmt werden.

2 x 2 x 3 ist 12, und 2 x 2 x 4 ist 16!

8. Ermittlung von Hohlschichten im Bauteil

Der beste Wintermantel, der beste Schlafsack, hilft nicht, wenn die Reißverschlüsse nicht geschlossen sind. Genauso ist es beim Haus: Es gibt in der Rehgel belüftete Hohlschichten in:

der Wand (zweischaliges Mauerwerk)

der Holzbalkendecke/Kehlbalkenlage

ausgebauten, nicht gedämmten Dachschrägen

bei nicht gedämmten Drempelkonstruktionen

Fußböden auf Balkenlage zum Keller hin

 zwischen Gebäuden (bei Reihen- oder Doppelhäusern)

bei Bungalow-Dächern

bei belüfteten zweischaligen Mehrfamilienhaus-Dächern (Kaltdach)

Eine Dämmung „auf der kalten Seite“ eines belüfteten Bauteils ist aufgrund von Hinterlüftungseffekten nahezu wirkungslos! Die Hohlschichten müssen auf jeden Fall vorher mit einem für das jeweilige Bauteil geeigneten Dämmstoff verfüllt oder nach außen luftdicht verschlossen werden. Danach kann man bei einer Wand von außen ein WDVS aufbringen. Aber erst danach! Eine Verfüllung einer vorhandenen Hohlschicht kann extrem schnell durchgeführt werden und ist daher bis zu einem Faktor 10 preiswerter  als eine außenseitige Dämmung des Bauteils.

9. Falls bauseits erforderlich:
die schlankeste Konstruktion

Wir sind im Altbau unterwegs und haben keinen Einfluss mehr auf die Konstruktion. Manchmal steht wenig Platz zur Verfügung (Kellerdecke, Rollladenkasten, Bodentreppe, Wärmebrücken). Dann sollte man Dämmstoffe verwenden, die bis zum Faktor 2 besser sind als andere. Phenolharzplatten zum Beispiel haben die WLS von 020 bis 021 – Holzweichfaserplatten sind mit einer WLS 040 bis 048 doppelt so schlecht.

10. Daraus ergibt sich

Aus einer Vielzahl von Dämmstoffen (es gibt mehr als 100 unterschiedliche Produkte von tausenden von Herstellern) sollte für das jeweilige Bauteil und die jeweilige Anforderung der jeweils passendste ausgewählt werden! Es gibt nicht „den besten Dämmstoff“ – sondern nur: den „besten Dämmstoff für das jeweilige Bauteil und den jeweiligen Bauherrn!“

Autor

Arnold Drewer ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts für preisoptimierte energetische Gebäudemodernisierung GmbH (IpeG) in Paderborn. Er hält Vorträge bei Verbraucherzentralen, schult deutschlandweit Gebäudeenergieberater und ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln.

Literatur

Das Buch „Richtig dämmen“ beschreibt auf 191 Seiten 37 Dämmverfahren und 22 Dämmstoffe hinsichtlich technischer Eigenschaften, Nachhaltigkeitskriterien, Kosten und Wirtschaftlichkeit und beinhaltet auch eine Darstellung aktueller Fördermöglichkeiten. Der Ratgeber (ISBN-Nummer 978-3-7471-0197-1) wurde erstellt von Arnold Drewer (IpeG-Institut) unter der Mitwirkung von Lars Hoischen und dem Lektorat von Philipp Sperrle und Susanne Reinhold, erscheint bei Stiftung Warentest und ist für 29,90 € im Onlineshop erhältlich.

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