LWL-Freilichtmuseum Detmold zeigt seit 50 Jahren ländliche Alltagskultur zum Anfassen
Vor 50 Jahren wurde das LWL-Freilichtmuseum Detmold gegründet. Im über 90 Hektar großen Freigelände stehen inzwischen rund 120 historische Gebäude. Mit einem modernen Eingangs- und Ausstellungsgebäude will das Museum sein Angebot künftig erweitern und zukunftsfähig bleiben.
Ein Besuch im LWL-Freilichtmuseum in Detmold ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Alte, reetgedeckte Fachwerkhäuser mit Lehmausfachungen finden sich im Freilichtmuseum ebenso wie Fachwerk-Hallenhäuser mit Tonpfannendeckung und Bürgerhäuser aus dem 19. Jahrhundert. Jedes Haus ist so eingerichtet, wie es für eine bestimmte Nutzungszeit überliefert ist und darf besichtigt werden.
Ländliche Kultur erhalten und bewahren
In diesem Jahr feierte das LWL-Freilichtmuseum Detmold sein 50-jähriges Jubiläum. Das Gründungskonzept des Museums sah vor, den Wandel bäuerlichen Lebens im Bauen, Wohnen und Wirtschaften zwischen 1550 und 1800 darzustellen. Schon in den späten 1920er Jahren gab es erste Ideen für ein westfälisches Freilichtmuseum, damals unter dem Eindruck der zunehmenden Umgestaltung der Landwirtschaft. Das Freilichtmuseum sollte die alte bäuerliche Kultur erhalten und bewahren – auch heute spielt diese im Museum noch eine wichtige Rolle , was deutlich wird, wenn man entlang der vielen Ackerflächen spaziert oder gut erhaltene Bauernhäuser und historische Windmühlen besichtigt.
1963 nahmen die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Freilichtmuseum ihre Arbeit auf: ein Bauingenieur, vier Restauratoren, zwei Zimmerleute, ein Dachdecker und ein Kraftfahrer gehörten damals zum Team. Innerhalb von fünf Jahren wurden im Museum über 20 historische Gebäude errichtet.
Historische Häuser in großen Stücken umgezogen
Seit der Eröffnung des Museums in den 1970er Jahren können Besucher auf dem 90 Hektar großen Gelände historische Häuser mit originalgetreuer Inneneinrichtung besichtigen. Dazu gehören unter anderem der Osnabrücker Hof, Mindener Hof, der Tecklenburger Kotten und der Münsterländer Gräftenhof. Dazu kommt das Paderborner Dorf, in dem sich eine historische Bäckerei, eine Schmiede, ein Fotoatelier und ein Restaurant für Besucher befinden. Daneben liegt das Sauerländer Dorf – hier gibt es unter anderem ein Bistro, einen Aussichtsturm und den Hof Remberg für Museumsschläfer. Bis zu 30 Schülerinnen und Schüler können hier übernachten und spielerisch erfahren, wie früher Brot gebacken, Getreide angepflanzt oder Wäsche gewaschen wurde.
Die Gebäude auf dem Museumsgelände sind keine Nachbauten historischer Höfe. Die Häuser stammen tatsächlich aus ganz Westfalen. Seit den 1950er Jahren werden die Häuser an ihren Originalstandorten ab- und im Museum wieder aufgebaut. Früher wurden die Fachwerkhäuser dafür noch in ihre Einzelteile zerlegt, Balken für Balken. Heute werden die Gebäude vor dem Umzug ins Museum in nur wenige große Teile zerlegt, die im Museum wieder zusammengesetzt werden. Diesen Vorgang nennt man Ganzteil-Translozierung. 1986 zog das erste Mal ein Haus auf diese Weise um und wurde im Museum wieder aufgebaut.
Konstruktive Besonderheiten
Die Häuser weisen konstruktiv einige Besonderheiten auf: So steht etwa ein Kornspeicher aus dem Kreis Coesfeld am Westmünsterländer Hof, der ursprünglich um 1820 erbaut wurde, auf so genannten „Mäusepfeilern“. Die pyramidenförmigen Sandsteinpfeiler, auf denen das Haus steht, sollten verhindern, dass Mäuse in den Getreidespeicher eindringen. Die Schwellen des Fachwerkhauses haben so keinen Kontakt zum Erdreich. Außerdem entsteht eine Belüftungsschicht unter dem Haus, die verhindert, dass es zu Feuchteschäden kommt. Heute würde man einen solchen Speicher vermutlich anders bauen. Allerdings macht die Bauweise deutlich, dass Themen wie Belüftung, Feuchteschutz und der Schutz vor Nagetieren und Insekten schon früher auf kreative Weise gelöst werden mussten.
Historische Häuser mit Originalbauteilen
Dass die Häuser so originalgetreu wirken, ist unter anderem die Aufgabe der Restauratoren und Restauratorinnen des Freilichtmuseums. Insgesamt drei Objektrestauratorinnen und acht Gebäuderestauratoren arbeiten derzeit im Museum. Letztere teilen sich auf in zwei Gruppen: „Gebäuderestaurierung Stein“ und „Gebäuderestaurierung Holz.“
Die Restauratoren Jürgen Kagerer, Burkhard Gemke, Holger Kelm, Tobias Striewe und Bernd Brückmann sind etwa auf Holzarbeiten spezialisiert. Ihre Aufgabe ist es, alte Holztragwerke zu restaurieren und wieder aufzubauen. Die Arbeiten reichen von ganzen Fachwerkwänden über Fenster, Türen, Treppen bis zu Fußböden. Dabei nutzen sie soweit wie möglich historische Verbindungsmittel und Originalbauteile. So auch beim Haus Stöcker, das im LWL-Freilichtmuseum im September dieses Jahres eröffnet wurde. Nach gut dreijähriger Restaurierung bauten die Gebäuderestauratoren das ursprünglich aus dem Jahr 1797 stammende Haus aus dem Kreis Siegen im Museum wieder neu auf. Dabei nutzten sie zum Teil die originalen Fenster, teilweise mussten sie diese nach den erhaltenen Vorbildern aber auch nachbauen.
Fachwerk in der Halle auslegen und Aufmaß nehmen
Der Bau des „Hauses Stöcker“ im Freilichtmuseum begann im Juni 2018 – doch bereits ein Jahr zuvor starteten die Vorbereitungsarbeiten. Die alten Fachwerkwände des Hauses legten die Restauratoren in der Abbundhalle Stück für Stück aus, um so den Aufbau des Hauses planerisch und inhaltlich vorzubereiten. Bei diesem „Puzzle“ halfen Pläne des Hauses aus den 1960er Jahren. „Bevor wir ein Haus im Freilichtmuseum aufrichten, wird das Holztragwerk mindestens einmal in der Halle liegend vollständig zusammengesetzt“, erklärt Restaurator Holger Kelm. „Zusammen mit der Bauforschung dokumentieren und deuten wir die Spuren der früheren Nutzung, klären die Umbauten und machen uns ein Bild vom Erhaltungszustand. Alles wird genau in digitalisierten Bauaufmaßen festgehalten“, erklärt er weiter. So kann im Gesamtteam der Bauabteilung das Konzept für die spätere Präsentation und alle notwendigen Arbeiten der Restaurierung und des Wiederaufbaus vorab festgelegt werden.
Alte Schrauben und Nägel behalten
Für die Rekonstruktion von Fenstern, Türen, Fußböden und Innenverkleidungen der Häuser werden möglichst die Verbindungsmittel genutzt, die auch schon zur Erbauungszeit des Hauses verwendet wurden. Inzwischen verfügt der Bauhof des Freilichtmuseums über eine Sammlung an Schrauben, Dübeln und Nägeln – es wird jedoch immer „Nachschub“ gebraucht. Zum Teil stellen die Restauratoren Holzdübel selbst her, Eisennägel werden in der Museumsschmiede angefertigt. Restaurator Bernd Brückmann sagt: „Wer in seinem Betrieb oder zuhause noch alte Pakete mit Schrauben und Nägeln hat, die beispielsweise aus den 1950er Jahren stammen, sollte diese nicht entsorgen, sondern lieber bei seinem nächsten Besuch im Freilichtmuseum mitbringen. Wir können die gut brauchen!“ Für Mauerwerke oder Dacheindeckungen greift das Freilichtmuseum auch immer wieder gerne auf Angebote von gebrauchten, aber gut erhaltenen Baumaterialien zurück.
Neues Eingangs- und Ausstellungsgebäude geplant
Mit 120 historischen Gebäuden und einer Gesamtfläche von mehr als 90 Hektar ist das LWL-Freilichtmuseum eines der größten seiner Art in Europa. „Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat allerdings gezeigt, dass eine Dauerausstellung allein und eine kleine, improvisierte Fläche von 150 m² in einer umfunktionierten Ausstellungsscheune nicht reichen, um als Museum zukunftsfähig zu sein“, sagt Ruth Lakenbrink von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Freilichtmuseums.
Voraussetzung für ein modernes Museum mit großen Sonderausstellungen seien Räumlichkeiten, die technisch auf dem neuesten Stand seien und ideale Bedingungen für Besuchende und Exponate bieten, so Lakenbrink. Daher soll das LWL-Freilichtmuseum ein neues Eingangs- und Ausstellungsgebäude erhalten. ACMS Architekten aus Wuppertal und das studio grüngrau Landschaftsarchitektur aus Düsseldorf haben für das Museum ein dreiteiliges Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von etwa 3100 m² entworfen, das ganzjährig barrierefrei zugänglich sein soll. Das neue Eingangs- und Ausstellungsgebäude soll möglichst CO2-neutral betrieben werden. Die Wände des Ausstellungsraums werden aus feuchteregulierendem Stampflehm gebaut. Die Dach- und Fassadenelemente des Neubaus sollen in Holzskelettbauweise erstellt werden.
Bis 2024 soll der Neubau abgeschlossen sein
Der Energiebedarf des Neubaus soll durch Erdwärme und eine Solaranlage gedeckt werden. Rund um den Neubau wird eine Parkanlage angelegt, die an die Stadt Detmold angeschlossen wird. Der Neubau des Eingangs- und Ausstellungsgebäudes soll im Frühjahr 2022 beginnen, bis 2024 soll er fertiggestellt sein.
Der Neubau wird nicht nur Platz für moderne Ausstellungen und Mitmachangebote bieten, sondern auch Möglichkeiten für einen Museumsbesuch an kalten oder regnerischen Tagen, wenn es im Freigelände eher ungemütlich ist.
Zurzeit ist das LWL-Freilichtmuseum in der Winterpause. Für die Restauratoren und Restauratorinnen geht die Arbeit jedoch weiter: Sie erledigen Instandsetzungsarbeiten an den historischen Gebäuden, restaurieren weitere Aufbauprojekte und die Holzzäune des Museums. Im April 2022 wird das LWL-Freilichtmuseum dann wieder für Besucher und Besucherinnen öffnen und bleibt dann bis Ende Oktober 2022 geöffnet.
www.lwl-freilichtmuseum-detmold.de
AutorStephan Thomas ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.
„Haus Stöcker“: Zeitzeugin als Glücksfall
Der Fernseher in der guten Stube, Kühe und Hühner gleich nebenan: Das „Haus Stöcker“, das im Freilichtmuseum im September dieses Jahres eröffnet wurde, ist eine weitere geschichtliche Bereicherung, zeigt es doch den allmählichen Wandel hin zum Lebensstil der 1960er Jahre. Nach gut dreijähriger Restaurierung bauten die Handwerker das ursprünglich aus dem Jahr 1797 stammende Gebäude aus Burgholdinghausen (Kreis Siegen) im Bereich des Siegerländer Weilers wieder auf. Die über 90-jährige ehemalige Besitzerin Annette Stöcker stand dem Restauratoren-Team als Zeitzeugin kurz vor ihrem Tod noch zur Verfügung – ein Glücksfall. Hier geht es zum Beitrag. Der Bau-Blog des LWL-Freilichtmuseums zeigt, wie das „Haus Stöcker“ detailgenau errichtet wurde. (bhw/ela)
Chronik des LWL-Landesmuseums Detmold
9. Dezember 1929: Der Hauptausschuss für Volkskunde des Westfälischen Heimatbundes fordert in einer Resolution die Provinzialverwaltung Westfalens auf, eine volkskundliche Abteilung am Landesmuseum in Münster und ein Freilichtmuseum zu errichten. Eine Realisierung rückt jedoch wegen wirtschaftlicher Krisen und schließlich des Zweiten Weltkrieges in den Hintergrund.
Juni 1952: Die Volkskundliche Kommission für Westfalen fordert die Verwaltung des Provinzialverbandes, des späteren Landschaftsverbandes Westfalen-Lippes auf, ein Freilichtmuseum auf dem Gelände von Haus Rüschhaus bei Münster zu gründen. Eine Diskussion über das Freilichtmuseum kommt in Gang. Als Standort wird auch Detmold angeregt.
22. Juli 1960: Das Westfalen-Parlament des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe beschließt die Gründung des „Westfälischen Freilichtmuseums Bäuerlicher Kulturdenkmale“ in Detmold.
1. April 1963: Die ersten Mitarbeiter nehmen ihre Arbeit auf.
Mai 1966: Auf dem Museumsgelände beginnen die Bauarbeiten, als das Fundament für das Haupthaus Große-Endebrock aus dem Osnabrücker Land gelegt wird.
7. Juli 1971: Das Museum wird eröffnet. Im ersten Jahr werden 29 000 Besucher gezählt, in den folgenden Jahren bereits 60 000. Aufgebaut wurden: der Osnabrücker Wiehengebirgshof, der Mindener Hof, das Doppelheuerhaus, das Tecklenburger Kötterhaus, der Münsterländer Gräftenhof.
1973: Der Lippische Meierhof wird fertig gestellt.
1974: Das Freilichtmuseum wird mit Aufgabe und Titel „Landesmuseum für Volkskunde“ beschrieben.
1975: Mit dem Bauhof wird ein modernes Werkstattgebäude errichtet.
1976: Der Wiederaufbau des Westmünsterländer Hofes wird beendet.
13. Juli 1981: Das Paderborner Dorf wird eingeweiht.
1983: Der Hellweghof wird eingeweiht.
1991: Das Tagelöhnerhaus aus Rösebeck wird fast vollständig und in einem Stück ins Museum transportiert.
1994: Zur Verbesserung des Besucherservices erhält das Museum einen neuen Eingangspavillon mit Foyer, Informationsstelle und Museums-Shop.
1997: Das Sauerlanddorf wird eingeweiht.
1998: Das Haupthaus des Osnabrücker Hofes wird als „Haus zum Anfassen“ hergerichtet.
2000/2001: Das „Krumme Haus“, das Verwaltungsgebäude des Freilichtmuseums, wird renoviert und durch einen Neubau erweitert.
2021: Das „Haus Stöcker“, ursprünglich aus dem Jahr 1797 aus Burgholdinghausen (Kreis Siegen) stammend, wird im Bereich des Siegerländer Weilers wieder aufgebaut.
Quelle: LWL-Landesmuseum Detmold