Muschelkalkputz für die "Goldene Schachtel" auf dem Dom-Römer-Areal in Frankfurt am Main

Das Dom-Römer-Areal in Frankfurt am Main erinnert seit 2018 mit 15 Rekonstruktionen und 20 Neubauten an die Architektur vor dem Zweiten Weltkrieg. Dazu gehört auch die „Goldene Schachtel“ nach Plänen des Büros Tillmann Wagner Architekten.

Wo einst das Technische Rathaus der Stadt Frankfurt am Main stand, erstreckt sich seit 2018 das neue Dom-Römer-Quartier. Auf dem 7000 m2 großen Areal befinden sich Rekonstruktionen der Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Um der Mainmetropole ein Stück des historischen Gesichts zurückzugeben und an die damalige Architektur zur erinnern, entschied sich die Stadt für eine Nachbildung. Im Zuge dessen wurden 15 Häuser originalnah rekonstruiert – wie die „Goldene Waage“ – und 20 neu gebaut. Zu letzteren gehört auch die „Goldene Schachtel“. Das Gebäude wurde nach Plänen des Büros Tillmann Wagner Architekten aus Berlin umgesetzt, die 2011 den ausgeschriebenen Wettbewerb gewannen.

Die Fertigstellung erfolgte im Mai 2018 – es entstand ein Wohn- und Geschäftshaus mit fünf Vollgeschossen. Bei der Planung waren einige Aspekte und Vorgaben zu beachten. So musste insbesondere das statische Konzept der Bestandstiefgarage des ehemaligen Technischen Rathauses berücksichtigt werden. Darüber hinaus war die Umsetzung des Gebäudes als Passivhaus gefordert. Ein enger Kostenrahmen sowie die Festsetzung der Gestaltungssatzung waren für das gesamte Baufeld ebenfalls vorgegeben. Es entstand ein schmales, langes Satteldachhaus mit einer Breite von 6 m und einer Länge von 22 m. Insgesamt bietet es eine Nutzfläche von 690 m2.

Dynamische und charakterstarke Fassade

Die architektonische und gestalterische Identität der „Goldenen Schachtel“ wird aus der architektonischen Modulation des nach oben geschossweise gestaffelten Hauses generiert. Die beiden gefalteten Gassenfassaden sind mit durchgetöntem Muschelkalkputz mit bündig liegenden Kastenfenstern ausgebildet. Die „Goldene Schachtel“ steckt sich durch einen Stadtblock hindurch, so dass sich zwei repräsentative Ansichten zur Straße hin ergeben. Mit ihrem Erscheinungsbild erinnert sie als zeitgenössisches Gebäude an historische Haustypologien Frankfurts.

Putz mit zementfreiem und mineralischem Bindemittel

So fiel die Wahl bei der Fassadenmaterialität auf eine Kombination aus Putz und Naturstein-Mauerwerk. Letzteres bekleidet die Außenwände im Bereich des Erdgeschosses. Bei den darüber liegenden Geschossen wurde gefilzter Muschelkalkputz verwendet. Dieser zeigt in seiner Materialität die Faktur seiner Oberflächenbehandlung und generiert daher eine lebendige, charaktervoll alternde Gebäudehaut. Zudem konnte die gewünschte Wirkung einer gespannten und gefalteten Fassade, in der die Kastenfenster bündig liegen, hergestellt werden. Letztere verfügen über hellgraugrün lackierte Rahmen und werden durch eine feine Putzlineatur umfasst. Für die gefilzte Fassade war ein Produkt mit hohem Kalkanteil erforderlich. So entschieden sich die Verantwortlichen für das Bremer Muschelkalk-K-Putzsystem von Marbos. Die Produkte verfügen über ein mineralisches und zementfreies Bindemittel aus Muschelkalk. Dieser wird aus gewaschenen, gebrannten und gelöschten Seemuscheln und Puzzolan gewonnen. Die Basis bilden hierbei ausgesuchte Gesteinskörnungen aus geprüften Vorkommen nach DIN EN 13 139.

Goldener Schutz

Den Putz trugen die Mitarbeiter der Malerwerkstätten Mensinger aus Frankfurt am Main in einer Dicke von insgesamt 3 cm in Form des Vorspritz-, Unterputz-, und Oberputzmörtels auf. Als Farbton wählte man ein warmes Grau. Durch die Durchtönung des Putzmaterials sind spätere Beschädigungen der Oberfläche kaum sichtbar. Abschließend verleiht eine goldfarbene Lasur der Fassade eine individuelle Note. Der Putz dient nicht nur der optischen Gestaltung, sondern erfüllt auch eine Schutzfunktion. Die mineralischen Bestandteile machen ihn besonders widerstandsfähig. Die alkalischen Eigenschaften und der hohe pH-Wert sorgen dafür, dass die Fassade zudem weniger anfällig für Schimmel, Moos und Algen ist – und damit Witterungsbeständigkeit über einen langen Zeitraum gegeben ist.

Stimmiges Innenraumkonzept

Die reduzierte, moderne Gestaltung zieht sich auch im Inneren des Gebäudes fort und stellt eine geeignete Kulisse für die Kulturothek dar. Diese befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes und bietet nicht nur Frankfurter Spezialitäten, sondern auch einen Ort für Abendveranstaltungen rund um die Stadtgeschichte. In den darauffolgenden Geschossen sind Loft-Wohnungen untergebracht, die mit einem offenen Konzept überzeugen. Die Erschließung, Bäder und Küchen werden in einem schrankartigen Einbau kompakt zusammengefasst und lassen sich durch Schiebetüren als Alkoven zu den großen Wohnräumen öffnen. Die Grundstückstopografie wurde zudem in eine architektonische Topografie innerhalb der Innenräume überführt.

Fazit

Die „Goldene Schachtel“ fügt sich aufgrund der zeitlosen Gestaltung stimmig in das architektonische Gesamtkonzept des Dom-Römer-Quartiers ein. Die Details und Materialität verleihen dem Gebäude ein modernes Erscheinungsbild und erinnern zudem an handwerkliche Traditionen – insbesondere die Putzfassade mit Bremer Muschelkalk. Denn Kalkputzfassaden erfreuten sich schon in vergangenen Epochen großer Beliebtheit. So bildet das Material ein verbindendes Element zwischen alt und neu.

Autorin

Volker Kersten ist Manager bei der Firma Marbos in Dortmund.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr DomRömer GmbH, Frankfurt am Main, www.domroemer.de         

Architektur Tillmann Wagner Architekten BDA, Berlin, www.tillmannwagner.de 

Putzarbeiten Malerwerkstätten Mensinger, Frankfurt am Main, www.mensinger.de 

Putz Marbos, Dortmund, www.marbos.de

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