Der Transporter „eVito“ von Mercedes Benz als Tourer im Praxistest

Für einen Test stellen Hersteller dem Tester gerne das Super-Dupper-Modell einer Baureihe vor die Tür. Schnick und schnack an Bord sollen beeindrucken. Tun sie auch. Der „eVito“ von Mercedes Benz als Tourer ist sowas wie der Luxusliner unter den Transportern.

Der „Vito“ zielt seit einem Vierteljahrhundert auf das Handwerk. Selbst wenn das Testmodell mit schickem Interieur und praktischen Features dem Fahrer den Eindruck vermittelt, er lenke eine hochwertigere V-Klasse. Aber egal, ob Kastenwagen mit Blechboden oder Tourer mit Teppichausstattung, der Vito mit Elektroantrieb ist insbesondere für den lokalen Einsatz brauchbar. Das liegt an der Reichweite. Vollgestromt gleitet der „eVito“ laut offizieller Angabe 420 km. Seine Dieselbrüder schaffen mehr als das Doppelte.

Unser Testfahrzeug, der ?eVito? von Mercedes Benz als Tourer, ist sowas wie der Luxusliner unter den Transportern Unser Testfahrzeug, der „eVito“ von Mercedes Benz als Tourer, ist sowas wie der Luxusliner unter den Transportern
Foto: Michael Sudahl

Unser Testfahrzeug, der „eVito“ von Mercedes Benz als Tourer, ist sowas wie der Luxusliner unter den Transportern
Foto: Michael Sudahl
Wer allerdings den Stromfresser Klimaanlage einschaltet, sollte Sommers wie Winters damit rechnen, noch öfters laden zu müssen. Und auch der gründliche Druck aufs Strompedal kostet im Vergleich zum Dieselantrieb überproportional viel Energie. Also sein lassen, den flotten Ampelstart. Obwohl der mit dem 2,5-Tonnen-Geschoss echt Laune macht, weil er 90 Prozent aller Verbrenner stehen lässt. Am Ende steht ein zulässiges Gesamtgewicht von 3,5 t. Was die Zuladung im Vergleich zu Verbrennern deutlich reduziert – um mehr als 1,5 t. Die maximale Tourer-Länge beträgt 5,37 m.

Schnelladen in 45 Minuten

Apropos tanken: Da wo die Dieselvariante den Tankstutzen hat, an der B-Säule, hat auch der eVito die markante Klappe, die sich nur öffnen lässt, wenn die Fahrertür offensteht. Dahinter ist allerdings: nichts mehr. Dieses ungeschickte Detail verrät, dass der Stromer eine Weiterentwicklung der Verbrenner-Modelle ist – und kein eigenständiges. Dessen Pflege kommt im Herbst 2023. Erlkönig-Fotos zeigen aber immer noch die Klappe ohne Funktion ...

Eine andere Klappe ist vorne links, dort sitzen die Stecker für das Schnell- und Standard-Laden. Schnellladen heißt, in 45 Minuten ist die Batterie an einer Schnellladesäule von zehn auf 80 Prozent gefüllt. Die DC-Ladeleistung liegt bei 110 kW. Klug ist der Buchsen-Platzwechsel, weil öffentliche Ladesäulen meist am Kopfende der Parkflächen platziert sind. Die Kabelstrecke mit einem Meter somit extrem kurz ausfällt und damit nicht zur Stolperfalle mutiert.

V-Klassen-Feeling

Dass der Tourer wie eine V-Klasse wirkt, ist erstens den Komfortsitzen für Fahrerin und Nebenmann zu verdanken. Selbst bei langen Strecken bleiben beide frisch. Was zweitens an der schicken Innenverkleidung in „gehobener Ausführung“ liegt. Und am schwarzen Teppich im Fond. Beides schluckt Schall.

Die Ladefläche, auf der unterschiedliche Sitzvarianten in zwei Reihen möglich sind, kann im Kastenwagen mit Holz- beziehungsweise Kunststoffboden ausgestattet werden Die Ladefläche, auf der unterschiedliche Sitzvarianten in zwei Reihen möglich sind, kann im Kastenwagen mit Holz- beziehungsweise Kunststoffboden ausgestattet werden
Foto: Michael Sudahl

Die Ladefläche, auf der unterschiedliche Sitzvarianten in zwei Reihen möglich sind, kann im Kastenwagen mit Holz- beziehungsweise Kunststoffboden ausgestattet werden
Foto: Michael Sudahl
Die Ladefläche, auf der unterschiedliche Sitzvarianten in zwei Reihen möglich sind, kann im Kastenwagen mit Holz- beziehungsweise Kunststoffboden ausgestattet werden. Multifunktions-Lederlenkrad und ein digitaler Innenspiegel, der selbst in Tiefgaragen und bei Regen ein scharfes Bild liefert, sowie etliche Ablageflächen und Cuphalter, sorgen für eine Wohlfühlatmosphäre – fast wie in einer Limousine. Infotainmentsystem, intelligente Leuchtweiten-Regulierung und die HDR-Kamera in der Heckscheibe mit 180°-Sicht (die ein schärferes Bild liefert als die Glotze zuhause), lassen Fahrer und Insassen schnell vergessen, dass sie in einem Transporter sitzen.

Assistenzsysteme

Unterwegs unterstützen 13 Helfersysteme. Sie halten Abstand und Spur. Bremsen automatisch in der Stadt, wenn stehende Hindernisse oder querende Fußgänger auftauchen. Sie halten den Abstand zum Vordermann und entlasten bei Autobahnfahrten oder im Stopp-and-Go-Verkehr. Hinzu kommen Müdigkeitswarner sowie Park- und Seitenwind-Assistenten.

Luftfederung macht Laune

Den Ladestecker müssen traditionelle Diesel-Van-Fahrer erst finden, er sitzt vorne links am Fahrzeug Der "eVito" von Mercedes punktet bei der lokalen Nutzung
Foto: Michael Sudahl

Der "eVito" von Mercedes punktet bei der lokalen Nutzung
Foto: Michael Sudahl
Die Dämpfung reguliert sich an jedem Rad einzeln und reagiert auf Fahrsituation und Straßenzustand, schnell und präzise über zwei getrennte Ventile für die Zug- und Druckrichtung in den Dämpfern. Das Fahren ist dadurch mehr ein Gleiten – und macht Laune. Die Kraft für Schub und Technik kommt von einer Lithium-Ionen-Batterie, die im Unterboden verschraubt ist. Was wiederum das Schrauben im Motorraum verbietet. Dort herrscht Hochvolt-Niveau. Wer hier werkeln will, benötigt den passenden Schein mit Stempel. Einen Preis hat der Test-Tourer ebenfalls: Für knapp 89 000 Euro (Bruttoliste) gleitet er vom Hof.

Noch interessant

Das Regalsystem SR5 von Fahrzeugausstatter Sortimo kann ab Werk in den Kastenwagen eingebaut werden – wahlweise links oder beidseitig. Zudem lassen sich die Systeme mit Ordnungs- und Schubladenelemente in diversen Größen ausstatten. Eine durchgängige Kompatibilität zu gängigen Werkzeugboxen ist gegeben.

Autor

Michael Sudahl ist als freier Journalist bei der Agentur Der Medienberater Fromm Sudahl in Schorndorf tätig.

Schnell-Check

Erster Eindruck: Schick und schnell – Der „eVito Tourer“ ist nah an der V-Klasse dran. Innenraumteppich und gehobene Verkleidungselemente schlucken Fahrgeräusche. Den Ladestecker müssen traditionelle Diesel-Van-Fahrer erst finden.

Fahr(er)gefühl: Das ist kein Transporter. Die Umsicht ist gut, die HDR-Kamera im Heck macht Bollerunfälle fast unmöglich. Luftfederung, Brems- und Seitenwind-Assistent sorgen für Pkw-Fahrkomfort.

Öko-Check: Der 150 KW-Motor (204 PS) des Tourers sorgt für eine A+++ CO2-Effizienz. Den Kastenwagen gibt es mit 85 KW. Der Stromverbrauch liegt laut WLTP bei 28,3 kWh/100 km. Die Reichweite ist für den lokalen Einsatz ideal. Wer mehr als 150 km bis zur Baustelle fährt, muss Ladestopps einkalkulieren, wenn er abends wieder zuhause sein will.

Hands-on: Der getestete Tourer ist ein „Personenbeförderungsmobil“, Zuladung 827 kg. Kasten und Tourer gibt es in den Längen 5,14 m beziehungsweise 5,37 m. Das Ladevolumen beim Kasten beträgt 6 m³. Seine Zuladung ist mit 913 kg ebenfalls überschaubar. Laderaumbodenlänge ab Vordersitzen 2,81 m. Laderaumbreite zwischen den Radkästen 1,27 m.

Was haften bleibt: Der Blick auf die „Tankanzeige“. Mit weniger als 400 km realistischer Reichweite ist der „eVito“ vor allem ein Lokal-Hero. Ideal für Handwerker, die überwiegend „in der Heimatregion“ unterwegs sind. Super ist auch der Anzug an der Ampel. E-Drive ist (auch) was für City-Angeber. Mit einem 1,96 m hohen Van einen tiefergelegten 3-er BMW stehen lassen, das hat was.

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