Probearbeiten: Schnuppern ohne Vertrag
Probearbeiten im Handwerk: Was Betriebe beachten müssenProbearbeit ist eine gute Möglichkeit, einen Handwerksbetrieb kennen zu lernen – ohne gleich ein
Arbeitsverhältnis einzugehen. Wir erläutern, was Arbeitgeber und Bewerber bei „Schnuppertagen“
beachten müssen, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden.
Der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft ist ein Dauerthema. All jene, die ins Handwerk wollen und die auch dringend benötigt werden, haben es allerdings schwer, wenn sie nicht über entsprechende Qualifikation und deren Nachweis verfügen. Hingegen werden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, die schlicht anpacken können und die körperliche Herausforderungen nicht scheuen. Dies betrifft vor allem ausländische Kräfte, zumal nur in Österreich und Deutschland die duale Berufsausbildung etabliert ist. Wie kann ein Bauleiter die Angaben überprüfen? Probearbeiten ist die beste Möglichkeit den Kandidaten zu erleben. Die Bereitschaft zur Probearbeit ist ein wichtiger Indikator des Vertrauens in die eigene Leistungsfähigkeit und die Motivation bei der Stellensuche.
Unterschiede zwischen Probearbeiten und Probezeit
Für den Handwerksbetrieb erfolgt eine Probearbeit ohne Bezahlung und weitere Verpflichtung, es müssen aber bestimmte Vorgaben eingehalten werden. Ansonsten könnte aus den Probetagen ein Arbeitsverhältnis entstehen. Werden die Regeln beachtet, muss nicht passiv auf Bewerber gewartet werden, vielmehr kann das Angebot auch öffentlich gemacht werden. Eine Probezeit setzt einen Arbeitsvertrag voraus, womit arbeitsrechtliche Vorgaben einzuhalten sind. Bei Probearbeitstagen schließen hingegen Bewerber und Arbeitgeber keinen Arbeitsvertrag ab, sondern lediglich eine Vereinbarung. Probearbeit ist unbürokratisch und schnell zu vereinbaren. Auf Basis der Probearbeit kann die Einordnung und Entgeltfestsetzung erfolgen, ohne dass ein bereits bestehender Arbeitsvertrag angepasst werden müsste. Beim Probearbeiten handelt es sich um ein Einfühlungsverhältnis, das laut Rechtsprechung besteht, wenn währenddessen keine gegenseitigen Rechte und Pflichten vereinbart werden (LAG Rheinland-Pfalz, Aktenzeichen 2 Sa 87/07).
Ein Kennzeichen ist die Unverbindlichkeit für die Beteiligten. Beide Seiten lernen einander kennen und können abwägen, ob eine dauerhafte Zusammenarbeit sinnvoll ist. Der potenzielle Mitarbeiter lernt Betrieb und Arbeitsalltag kennen, erhält dafür keine Bezahlung. Eine Aufwandsentschädigung, beispielsweise für Fahrtkosten, kann erfolgen.
Aufgaben, Bezahlung und Dauer
An Probetagen dürfen Kandidaten allenfalls kleinere Aufgaben erledigen, damit ein Einfühlungsverhältnis besteht. Bewerber sollten möglichst nur mitlaufen und keine selbst verwertbaren Arbeitsleistungen erbringen, die üblicherweise entlohnt werden. Eine Möglichkeit ist, dass sie bei einer zeitlich begrenzten Aufgabe einen Teil davon übernehmen, wobei man darüber selbstverständlich sprechen kann, wie die Interessierten die Gesamtaufgabe angehen und lösen würden. Ergänzend sollten Vorgesetzte darauf hinweisen, dass Jobinteressierte zu keiner Arbeitsleistung verpflichtet sind, wie es bei einem Arbeitsverhältnis wäre.
Die Rechtsprechung nennt keine maximale Stunden- oder Tageanzahl, vielmehr kommt es auf die Gesamtbetrachtung an. Dennoch sollte die Probearbeit nicht mehr als einige Tage, maximal eine Woche andauern, um nicht unbeabsichtigt ein Arbeitsverhältnis entstehen zu lassen. Häufig reichen einige Stunden aus, wenn eine entsprechende Vorbereitung erfolgte und eine klar abgrenzbare Aufgabe ausgeführt und begleitet wird. Bewerber müssen während der Probearbeit nicht entlohnt werden, das Mindestlohngesetz gilt nicht. Bei einer längeren Anreise sollten fairerweise die Fahrtkosten erstatten werden. Erfolgt eine Entschädigung für den zeitlichen Aufwand ist eine eindeutige Formulierung notwendig, die dokumentiert, dass es sich nicht um eine Arbeitsvergütung handelt.
Zustandekommen eines Arbeitsvertrags
Werden Bewerber in den Betrieb und seine Abläufe integriert, könnten sie auch ohne bestehenden Arbeitsvertrag eine Bezahlung für geleistete Arbeit fordern. Um Arbeitnehmer vor Ausbeutung zu schützen, gehen Arbeitsgerichte bei einem Übersteigen der Tätigkeiten und Instruktionen des Chefs über ein Kennlernen hinaus vom stillschweigenden Abschluss eines Arbeitsvertrags aus (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.03.2005 – 4 Sa 11/05).
Bei folgenden Indizien könnte ein Probearbeiten als Abschluss eines Arbeitsvertrags gewertet werden:
Bewerber und Arbeitgeber vereinbaren eine Vergütung.
Der Bewerber muss an seinem Probetag festgelegte Arbeitszeiten und Pausen einhalten.
Der Bewerber muss Arbeitskleidung tragen, wobei im Rahmen des Unfallschutzes notwendige Ausrüstung selbstverständlich zur Verfügung gestellt wird.
Der Bewerber übt eine weisungsabhängige Arbeit aus, der Bewerber erwirtschaftet Gewinn für den Handwerksbetrieb.
Unbeabsichtigter Abschluss eines Arbeitsvertrags
Vor Gericht kommt es auf den Einzelfall an, es entsteht nicht zwangsläufig ein Arbeitsverhältnis, wenn eines der aufgeführten Indizien zutrifft. Der Betrieb sichert sich zusätzlich ab, indem er ein internes Protokoll der Schnupperphase erstellt und so die Tätigkeiten des Probearbeiters dokumentiert. Firmen sollten die angeführten Vorgaben sorgfältig einhalten. Kommt unbeabsichtigt ein Arbeitsvertrag zustande, hat das für den Betrieb erhebliche Folgen. Kann der Bewerber nachweisen, dass das Probearbeiten einem Arbeitsverhältnis entsprach, muss der Arbeitgeber die geleistete Arbeitszeit entlohnen. Weiterhin könnte ein Arbeitsgericht entscheiden, dass durch die Überschreitung der Voraussetzungen für das Probearbeiten stillschweigend ein Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Dies kann nur schriftlich und mit einer entsprechenden Kündigungsfrist beendet werden (§ 623 BGB). Selbst bei sofortiger Kündigung ist mit der Nachzahlung von bis zu einem Monatslohn zu rechnen.
Vereinbarung zur Probearbeit
Eine schriftliche Vereinbarung zwischen Bewerber und Betrieb grenzt das Probearbeiten von einem normalen Arbeitsverhältnis ab.
Die wichtigsten Punkte einer Vereinbarung sind:
Name und Anschrift des Bewerbers
Ort des Probearbeitens
Ansprechpartner für den Bewerber
Zeitraum der Probephase
Hinweis, dass keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht
Vermerk, dass beide Seiten die Probearbeit jederzeit mündlich beenden können
Versicherung des Bewerbers über den Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung
Keine Entlohnung der Arbeit oder alternativ eine Aufwandsentschädigung
Anmeldungen und Versicherungen
Bis zum Zustandekommen eines Arbeitsvertrags muss der Betrieb weder beim Finanzamt noch bei den Sozialversicherungsträgern den Kandidaten anmelden. Bei einem Unfall während der Schnupperarbeiten greift die gesetzliche Unfallversicherung. Ein Kandidat ist als „Wie-Beschäftigter“ gesetzlich unfallversichert (Bundessozialgericht, Urteil vom 20.8.2019, Az. B 2 U 1/18/R). Voraussetzung ist die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft, die bei einer kurzen Probearbeit unbürokratisch erfolgen kann. Arbeitslose fallen unter die gesetzliche Unfallversicherung, wenn sie auf Veranlassung der Agentur für Arbeit zum Probearbeiten geschickt werden. (LSG NRW, Urteil v. 16.2.2000, Az. L 17 U 290/99).
Schäden, die ein Bewerber im Rahmen des Probearbeitens verursacht, deckt dessen private Haftpflichtversicherung ab. So notwendig diese für alle Menschen ist, verfügt nicht jeder Bewerber darüber, insbesondere ausländischen Kandidaten ist diese Versicherung unbekannt. Der Vorgesetzte sollte dies bei der Aufgabenvergabe berücksichtigen.
Probearbeit bei bestehendem Arbeitsverhältnis
Probearbeit ist auch bei einem anderen, bestehenden Arbeitsverhältnis möglich. Ob dies ein Verstoß gegen den bestehenden Arbeitsvertrag darstellt, muss der Kandidat prüfen, nicht das Bauunternehmen, das zum Probearbeiten einlädt. Arbeiten arbeitslose Kandidaten zur Probe, müssen sie dies der Bundesagentur für Arbeit anzeigen. Ein Versäumnis kann nach einem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 25.01.2021 – L 11 AL 15/19) zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen.
Weiteres Vorgehen
Schlussendlich wird die Entscheidung gefällt, ob ein Arbeitsvertrag angeboten wird. Auf Seiten des Betriebes sollte derjenige die Entscheidung treffen, dem der potenzielle Mitarbeiter zuarbeiten soll. Dies kann, muss aber nicht, der Betriebsleiter sein. Eine faire Entlohnung passt sich in das bestehende Gefüge ein. Damit die Mühen der Einarbeitung nicht durch ein plötzliches Ausscheiden des neuen Mitarbeiters obsolet werden, kann einerseits ein stufenweiser Lohnanstieg, ebenso eine feste Prämie nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeit vereinbart werden.
AutorThomas Schneider ist Diplom-Kaufmann und freiberuflich im Bereich Compliance tätig. Er wohnt in Essen.