Wie Räume durch ökologische Materialien für Wohlbefinden sorgen
Nach der eigenen Haut und der Kleidung sind Räume unsere dritte Haut. Damit ist es nicht egal, mit welchen Materialien und Oberflächen wir uns umgeben. Handwerksunternehmen haben daher eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Kunden, wenn sie Räume gestalten. Wir zeigen die Möglichkeiten.
Die Verwendung emissionsfreier Materialien, wie mineralische Baustoffe und Glas, sorgt im Wohn- und Schlafzimmer für eine gute Raumluftqualität
Foto: Baumit
Gesundheit und Wohlbefinden in jeglicher Hinsicht ist das wertvollste Gut, das wir haben. Daher dürfte uns eigentlich nichts daran hindern, alles dafür zu tun, es zu fördern und nicht zu gefährden. Gerade Handwerksbetriebe sind prädestiniert, ihren Teil beizutragen, denn sie schaffen und gestalten Räume und decken mit ihren Tätigkeiten alle relevanten Bereiche eines die Gesundheit fördernden Umfelds ab. Der Markt für gesunde Materialien, Produkte und Dienstleistungsangebote wächst kontinuierlich und bekommt durch den Klimawandel und seine Folgen eine immer größere Bedeutung. Denn gesunde Materialien sind immer auch ökologische Materialien. Und ökologisches Denken bedeutet Denken in Kreisläufen und vernetzten Zusammenhängen. Das heißt, es müssen von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung oder Wiederverwertung ökologische Kriterien berücksichtigt werden, zum Beispiel der Rohstoffeinsatz und die Gesamtenergiebilanz.
Der Ansatz der Baubiologie als Grundlage
Damit ist klar, dass die Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Umfeld ganzheitlich gedacht werden muss, und alle Faktoren, die sein Wohlbefinden in Räumen beeinflussen, berücksichtigt sein müssen. Den ganzheitlichen Ansatz, wonach Wohn- wie Arbeits- und Lebensräume gesund, umweltfreundlich, nachhaltig und nicht zuletzt wohnlich gestaltet sein sollten, verfolgt die Baubiologie seit über 50 Jahren. Ihre Lehre vereint Erkenntnisse aus unterschiedlichen Bereichen wie Raum- und Städteplanung, Architektur, Umweltwissenschaften, Bauphysik und Medizin. Sie wird heute nach 25 Leitlinien praktiziert, die alles zusammenfassen, was zu einem die Gesundheit und das Wohlbefinden förderlichen Umfeld gehört. Diese Leitlinien finden Sie am Ende dieses Beitrags. Diese sind in fünf Kategorien gegliedert:
1. „Innenraumklima“
2. „Baustoffe und Raumausstattung“
3. „Raumgestaltung und Architektur“
4. „Umwelt, Energie und Wasser“
5. „Ökosozialer Lebensraum“
Kalk- und Silikatprodukte wirken aufgrund ihrer natürlichen Alkalität vorbeugend gegen Schimmel
Foto: Keimfarben
Diese Leitlinien sind ein hervorragender Ansatz zur Orientierung, um Kunden entsprechende Angebote für mehr Lebensqualität zu Hause zu machen. Freilich sind für konkrete Aufgaben in der Praxis und unter realen Bedingungen nicht immer alle Kriterien gleichzeitig erfüllbar. Das Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN, das weltweit treibende Kraft der Baubiologie ist und wertvolle Pionierarbeit für gesundes und nachhaltiges Bauen, Sanieren, Wohnen und Arbeiten leistet, empfiehlt daher, die Ziele im Rahmen des individuell Machbaren zu verfolgen. Je mehr der fünf Kategorien dabei mitgedacht werden, umso besser ist das Ergebnis im Sinn von mehr Wohlbefinden und Gesundheit im Lebensumfeld.
Konkrete Handlungsfelder
Wo sind die konkreten Ansatzpunkte? In den allermeisten Fällen bietet sich bei Renovierungsarbeiten an Boden, Wand und Decke die Möglichkeit, ein gesundes Wohnumfeld zu schaffen. Ansonsten sind es vor allem die Bereiche „Innenraumklima“, „Baustoffe und Raumausstattung“ und „Raumgestaltung und Architektur“ der IBN-Richtlinien, die konkrete Handlungsfelder und Aufgaben benennen – und die sich ohne Weiteres auf die Ausstattungsgegenstände der Räume anwenden lassen. In all diesen Bereichen spielen die verwendeten Materialien eine zentrale Rolle.
Auf den Material-Mix kommt es an
Das Zuhause sollte ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlt und entspannen kann. Wenn allerdings Schadstoffe aus Böden, Wänden oder Einrichtungsgegenständen in die Raumluft gelangen, kann dadurch die Gesundheit der Bewohner gefährdet werden. Typische Symptome, die auf eine hohe Schadstoffbelastung hinweisen können, sind unter anderem Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Allergien und Asthma. Das Risiko zu erkranken steigt, wenn die Schadstoffe im Raum verbleiben. Konnten in älteren Gebäuden Schadstoffe und Feuchtigkeit durch die nicht so dichte Gebäudehülle entweichen, sind sie in gedämmten, luftdichten Gebäuden zunächst einmal gefangen.
Was tun? Richtiges Lüften und Lüftungsanlagen, die uns Tag und Nacht mit frischer Luft versorgen, sind nur ein Teil der Lösung des Problems mit schlechter Raumluft. Ein viel wichtigerer Teil ist die Verwendung emissionsfreier Materialien wie mineralischer Baustoffe, Glas und Metall. Generell gilt: Mineralische, diffusionsoffene Wandoberflächen sorgen für ein ausgewogeneres Raumklima. Lehm ist wie fast kein anderer Baustoff in der Lage, Feuchteschwankungen in der Raumluft zu puffern, Kalk- und Silikatprodukte wirken darüber hinaus aufgrund ihrer natürlichen Alkalität vorbeugend gegen Schimmel. Dabei sind Wandbildner, Putz und Wandfarbe immer als ein System aus aufeinander abgestimmten Komponenten anzusehen.
Verarbeiten Sie Lehm, wie hier zu sehen sogar unter der Decke, denn Lehm ist fast wie kein anderer Baustoff in der Lage, Feuchteschwankungen in der Raumluft zu puffern
Foto: Thomas Wieckhorst
Betrachtet man einen Raum hinsichtlich der verwendeten Materialien und Oberflächen, ist – nicht nur aus Gründen der Wohngesundheit, sondern auch aus Gründen der Optik und Akustik – immer ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den verschiedenen Materialien und Oberflächen anzustreben. Beton, Zement, Gips, Kunststoffe, Metall und Glas sollten wo technisch notwendig, aber so wenig wie möglich verwendet werden. Rein mineralische Rohstoffe wie Stein, Kalk, Lehm und Silikat sollten als ausgleichende Elemente eingesetzt werden, nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Stroh, Hanf oder Flachs ebenso. Es liegt auf der Hand: Damit wir uns in der dritten Haut wohlfühlen, ist ein harmonisches Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Materialien und Oberflächen wichtig. Holz ist zum Beispiel ein warmes Material, das dafür sorgt, dass wir uns automatisch wohler fühlen. Fliesen, Beton, Metall und Glas hingegen sind kalte Materialien, die die Wärme nicht gut speichern, optisch für Kühle sorgen und sich negativ auf die Raumakustik auswirken.
Nicht vergessen: gute Akustik und wenig Strahlung
Lärm verursacht Stress, im Freien genauso wie drinnen in den vier Wänden. Weil das Zuhause aber der wichtigste Rückzugsort für uns ist, um zu entspannen und Kraft und Energie zu tanken, sollte dort ein angenehmes akustisches Klima herrschen. Empfindliche Menschen können sonst unter Kopf- und Ohrenschmerzen leiden. Ziel einer guten akustischen Raumqualität ist eine Akustik ohne Nachhall und gute Sprachverständlichkeit. Denn gewünschte Geräusche wie Musik und Stimmen sollen gut zu hören und zu verstehen sein.
Besteht hier aufgrund von Defiziten Handlungsbedarf, sind nachträgliche Schallschutzmaßnahmen gefragt. In Frage kommen Materialien mit schallabsorbierenden Eigenschaften wie Filz und Wolle. Dazu zählen zum Beispiel Akustikfilze aus Schafwolle, die als Wand- oder Deckenverkleidung eingesetzt werden können, oder schwere Wollfilze, die als Vorhänge den Lärmpegel reduzieren. Darüber hinaus kann Akustikfilz in Form von Platten zur Verkleidung von Wänden, Böden und Decken verwendet werden und dient so gleichzeitig als dekoratives Element. Die Verwendung von Filz und Wolle bietet neben der Schallabsorption auch einen Vorteil, den wir von der Kleidung her kennen: Sie sind ein warmes Material und regulieren die Feuchtigkeit.
Wir sind täglich unsichtbarer Strahlung ausgesetzt, die natürlich und künstlich verursacht ist. Sie ist keine direkte Gefahr, aber hohe Strahlungswerte können einen schädlichen Einfluss auf die Gesundheit haben. Natürliche Strahlung entsteht ohne unser Zutun im Wasser, in der Luft oder im Erdreich.
Stoffe, die strahlen, atmen wir automatisch ein und nehmen sie sowohl über die Haut als auch über die Nahrung auf. Künstlich erzeugte Strahlen entstehen etwa bei Röntgenbildern, bei Computertomografien und bei der Kernspaltung im Atomkraftwerk. Auch Funkmasten, Mobiltelefone, Radios und viele weitere Geräte geben Strahlen ab. Darüber hinaus gehört der so genannte Elektrosmog zur Strahlung, der ein Mensch im Alltag ausgesetzt ist. Dabei handelt es sich um Nieder- und Hochfrequenzstrahlung, die von unseren technischen Geräten, wie etwa für die Gebäudeautomation, ausgeht und dabei elektromagnetische Felder erzeugt.
Die Auswirkungen der künstlichen Strahlung auf die Gesundheit ist im Vergleich zu anderen Bereichen der Medizin noch wenig erforscht. Menschen mit einer elektromagnetischen Hypersensitivität (EHS) reagieren schon auf geringe Strahlungsmengen. Allerdings: Im Normalfall führen nur außergewöhnlich große Mengen an Strahlenbelastung zu Erkrankungen. Die einfachste Möglichkeit, vor Elektrosmog zu schützen ist, die Emissionsquellen auszuschalten. Wo dies nicht möglich ist, gibt es mittlerweile zahlreiche Abschirmmaterialien. Dazu gehören Platten, Vliesgewebe, Wandbekleidungen und sogar Abschirmfarben.
Die Maxime bleibt
Brillux verzichtet bei all seinen Innenprodukten auf Konservierungsmittel
Foto: Brillux
Räume und unser Zuhause sollten die Gesundheit fördern, anstatt sie in Gefahr zu bringen. Entsprechend dieser Maxime sollte die dritte Haut – unser Lebensumfeld – gestaltet sein. Nur so kann das Zuhause ein Ort des Wohlbefindens und der Erholung von den Strapazen des Alltags sein. Sind die im Beitrag geschilderten Aspekte beim nächsten anstehenden Projekt berücksichtigt, hat man als Handwerksbetrieb schon vieles richtig gemacht. Ein im Vorfeld hinzugezogener ausgebildeter Baubiologe erhöht die Sicherheit. Vor allem in solchen Fällen, in denen man es mit Kunden mit erhöhter Sensibilität für bestimmte Stoffe oder gar allergischen Reaktionen zu tun hat, hilft die sachkundige, objektive und unparteiische Beurteilung von Experten, die sich auf fachlich korrekte Analytik- und Diagnoseverfahren stützt.
Am Ende dieses Beitrags finden Sie die 25 Leitlinien der Baubiologie des Instituts für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN.
AutorMatthias Heilig ist Experte für das Bau- und Ausbauhandwerk und arbeitet freiberuflich als Autor und Interimsredakteur.
25 Leitlinien der Baubiologie
Die Baubiologie umfasst Kriterien für ein gesundes, naturnahes, nachhaltiges und schön gestaltetes Lebensumfeld. Dabei geht es um Baustoffe und Raumgestaltung sowie um ökologische, ökonomische und soziale Aspekte.
Innenraumklima
1. Reiz- und Schadstoffe reduzieren und ausreichend Frischluft zuführen
2. Gesundheitsschädliche Schimmel- und Hefepilze, Bakterien, Staub und Allergene vermeiden
3. Neutral- oder wohlriechende Materialien verwenden
4. Elektromagnetische Felder und Funkwellen minimieren
5. Strahlungswärme zur Beheizung bevorzugen
Baustoffe und Raumausstattung
6. Natürliche, schadstofffreie Materialien mit möglichst geringer Radioaktivität verwenden
7. Auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wärmedämmung, Wärmespeicherung, Oberflächen- und Raumlufttemperaturen achten
8. Feuchtigkeitsausgleichende Materialien verwenden
9. Auf geringe Neubaufeuchte achten
10. Raumakustik und Schallschutz optimieren (inkl. Infraschall)
Raumgestaltung und Architektur
11. Auf harmonische Proportionen und Formen achten
12. Sinneseindrücke wie das Sehen, Hören, Riechen und Tasten fördern
13. Auf naturnahe Lichtverhältnisse und Farben achten, flimmerfreie Leuchtmittel verwenden
14. Physiologische und ergonomische Erkenntnisse berücksichtigen
15. Regionale Baukultur und Handwerkskunst fördern
Umwelt, Energie und Wasser
16. Den Energieverbrauch minimieren und erneuerbare Energiequellen nutzen
17. Beim Bauen und Sanieren negative Auswirkungen auf die Umwelt vermeiden
18. Natürliche Ressourcen schonen, Flora und Fauna schützen
19. Regionale Bauweisen bevorzugen, Materialien und Wirtschaftskreisläufe mit bestmöglicher Ökobilanz wählen
20. Für optimale Trinkwasserqualität sorgen
Ökosozialer Lebensraum
21. Bei der Infrastruktur auf gute Nutzungsmischung achten: kurze Wege zum Arbeitsplatz, zum öffentlichen Nahverkehr, zu Schulen, Geschäften etc.
22. Den Lebensraum menschenwürdig und umweltschonend gestalten
23. In ländlichen und städtischen Siedlungen ausreichende Grünflächen vorsehen
24. Nah- und Selbstversorgung stärken, regionale Dienstleistungsnetzwerke und Lieferanten einbinden
25. Baugrundstücke wählen, die möglichst nicht durch Altlasten, Strahlenquellen, Schadstoffemissionen und Lärm belastet sind
Quelle: Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN, www.baubiologie.de