Hanseatisch

Umbau des Hamburger Kontorhauses Stubbenhuk

Das Hamburger Kontorhaus Stubbenhuk beeindruckt von außen durch seine Backsteinfassade,
im Inneren durch das teilweise vertäfelte Treppenhaus. Mit Ausnahme des Treppenhauses wurde das
Gebäude nun vollständig entkernt und für eine moderne Büronutzung neugestaltet.

Der Begriff „Kontor“ wurde von hanseatischen Kaufleuten geprägt. Heute ist es eine veraltete Bezeichnung für ein Büro. In Hamburg gibt es ein ganzes Kontorhausviertel, das im Wesentlichen in den 1920er Jahren entstand. Das bekannteste Gebäude des Viertels ist das Chilehaus von Fritz Höger, das als dessen Hauptwerk gilt. In etwa einem Kilometer Entfernung zu diesem Viertel liegt das siebengeschossige Kontorhaus Stubbenhuk am Rand der Innenstadt am Übergang zur Speicherstadt. Von 1923 bis 1925 wurde es nach Plänen des Architekten Wilhelm Lemm für die Getreideheber GmbH im Stil der Neuen Sachlichkeit und des Expressionismus aus Stahlbeton und Oldenburger Klinker erbaut, weshalb es auch als „Getreideheberhaus“ bezeichnet wird. Getreideheber (auch pneumatische Elevatoren) dienten in Häfen oder Bahnhöfen als Umschlagseinrichtung zum Be- und Entladen von Frachtschiffen oder Güterzügen mit Getreide.

Eröffnung zum 100-jährigen Jubiläum

Das 1983 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude war von Anfang an als Bürohaus konzipiert. Die Stahlbetonbauweise erlaubte es schon damals, die Räume im Gebäude flexibel zu nutzen.  Es bedurfte nämlich keiner tragenden Innenwände, da die Decken auf einem Rahmenwerk aus Stahlbeton ruhen. Zuletzt wurden die 3730 m2 Nutzfläche des Kontorhauses von der Henri-Nannen-Schule für Journalisten und für das Corporate Publishing von Gruner + Jahr genutzt. 2020 kaufte das Immobilienunternehmen Tishman Speyer das gesamte Areal und beauftragte das Büro Stern Architekten mit der Umbauplanung. Nachdem man verschiedene Nutzungen für das Kontorhaus erwogen hatte, legte man sich 2022 auf eine Büronutzung mit Vermietung fest. Im gleichen Jahr wollte der Juwelier Wempe das Gebäude aber nicht mieten, sondern kaufen, um darin eine der größten unabhängigen Uhrenwerkstätten Europas, die Hamburger Wempe Chronometerwerke Maritim, Verwaltungsräume und eine Eventfläche, die zugleich auch als Working-Space genutzt wird, einzurichten. Mit dem Kauf kehrt Wempe zu seinen Wurzeln zurück. Im Mai dieses Jahres – passend zum 100-jährigen Jubiläum des Gebäudes – eröffnete der Juwelier mit dem Kontorhaus Stubbenhuk seinen zweiten Standort in der Stadt.

Anpassungen und Veränderungen

Mit dem Verkauf des Gebäudes an Wempe waren allerlei Sonderwünsche an das Büro Stern verbunden. So musste die Traglast der Decken erhöht werden. Zudem sollten keine Kühldecken, sondern Gebläsekonvektoren (Fan-Coils) eingebaut werden, damit für die Uhrmacher große, tiefe Fensterbänke entstehen konnten. Die größte Veränderung betraf jedoch das Dach. Nachdem das ursprüngliche Walmdach im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, hatte man das Gebäude nach dem Krieg mit einem Flachdach geschlossen. Dieses wurde jetzt rückgebaut und in Absprache mit dem Denkmalschutz wieder durch ein Walmdach ersetzt, das heute die Haustechnik aufnimmt. Durch das Walmdach entstand zudem eine Dachterrasse, die sich mit der neuen Eventfläche und dem Bistro für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Innenhof hin öffnet.

Treppenhaus und Aufzugsanlage

Durch den Haupteingang gelangt man zunächst in den mit Platten aus scharriertem Muschelkalk ausgekleideten Windfang. Daran schließt sich das teilweise vertäfelte Treppenhaus an. Besonders repräsentativ wirkt dieses durch die geschnitzten Geländer. Ursprünglich gab es im Treppenhaus einen Paternoster. Dieser wurde jedoch schon vor Jahrzehnten durch einen Aufzug ersetzt. Der nun neu eingebaute Aufzug fügt sich farblich und vom Material her harmonisch in den Bestand ein. Außen ist er golden, innen mit einem dezenten Farbverlauf gestaltet. Nach dem Einbau des neuen Aufzugs fehlten auf dem Fußboden allerdings einige der Mosaikfliesen. Glücklicherweise hatten die Handwerkerinnen und Handwerker beim Umbau unter den Schwellhölzern der Türen noch alte Fliesen entdeckt, die sie hier verwenden konnten. Die neue Lichtskulptur im Treppenauge, die das historische Treppenhaus nicht beeinflusst, zeigt durch die Anzahl ihrer Kugelleuchten an, in welchem Geschoss man sich nach dem Verlassen des Aufzugs befindet. „Gut, dass der Denkmalschutz da mitgegangen ist“, sagt Torsten Stern vom Büro Stern Architekten.

Statisch ertüchtigte Bestandsdecken und akustisch wirksame Lochdecken

Abgesehen vom Treppenhaus wurde das Gebäude vollständig entkernt.  Alle alten Decken und Fußböden und alle nichttragenden Innenwände wurden entfernt. „Alles wurde bis auf den Stahlskelettbau rückgebaut“, so Architekt Stern. Die zwischen den Unterzügen liegenden Decken aus gemauerten Hohllochsteinen waren für die Lasten der rund 500 kg schweren Uhrmachertische nicht ausgelegt und mussten statisch ertüchtigt werden. Dafür schraubten die Handwerker I-Träger parallel zur Fassade zwischen die Unterzüge. Die Stahlträger sind so dimensioniert, dass sie in der abgehängten Decke verschwinden. Letztere besteht aus einer akustisch wirksamen Lochdecke mit integrierten quadratischen Einbauleuchten mit 750 Lux/m2, die die Uhrmacher für ihre Arbeit benötigen. Nur im obersten Geschoss wurden Lichtschienen in die Decke eingebaut.

Innendämmung mit Kalziumsilikatplatten

Die Wärmedämmung erfolgte von innen mit 4 cm dicken Kalziumsilikatplatten. Hierzu musste der alte Putz komplett heruntergeschlagen werden. Danach folgte eine Grundierung und ein Ausgleichsputz, um eine ebene Fläche für das vollflächige Verkleben der Kalziumsilikatplatten zu erreichen. Auf den Platten führten die Handwerker einen Glattspachtel bis zur Qualitätsstufe Q3 aus. Bis dahin sind die Platten recht weich, haben nach der Spachtelung jedoch eine harte Oberfläche. Die alten Flächen an den Unterzügen, Stützen, Giebelwänden und dem Treppenhauskern wurden rau belassen, so dass sich gut ablesen lässt, was neu hinzugekommen und was alt ist.

Die neue Aufteilung der Grundrisse erfolgte mit Innenwänden in Trockenbauweise. „Zu den Fluren gibt es viele Glaswände, damit es dort nicht so dunkel ist“, sagt Torsten Stern. In den Büros und in der Harbour-Lounge, dem Eventbereich und Working Space im fünften Geschoss wurde Teppich verlegt und in den Werkstätten der Uhrmacher Linoleum, damit heruntergefallene Uhrenteile leichter auffindbar sind.

 

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr

Tishman Speyer, Hamburg,
www.tishmanspeyer.com

Eigentümer und Bauherr

Gerhard D. Wempe, Hamburg, www.wempe.com

Architekt

Stern Architekten, Torsten Stern, Hamburg,

www.stern-architekten.de

Statik

Ing.-Büro Lührs & Dartsch, Hamburg

Abbrucharbeiten

DAG Deutsche Abbruch Gesellschaft, Berlin, ­deutsche-abbruch-gesellschaft.de

Rohbauarbeiten

Allge-Bau, Hamburg, www.allge-bau.de

Zimmer- und Dachdeckerarbeiten

Zimmerei Fenstermann, Großensee, ­
www.zimmerei-fenstermann.de

Malerarbeiten

Malereibetrieb Benjamin Voß, Hamburg,
www.mbv-hh.de

Tischlerarbeiten

Remmers Tischlerei, Lindern,
www.tischlerei-remmers.de

Trockenbauarbeiten

TM Ausbau, Glinde, www.tm-ausbau.eu

Glaswände

Lehnert, Fernwald, www.lehnert-gmbh.de

Fliesenarbeiten

Terdenge + Möller Fliesen, Hamburg, tmfliesen.de

Bodenbelagsarbeiten

Erich Mikeska, Ellerbek, www.mikeska.de

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