Schmuckstück

Umgestaltung einer alten Hofstelle in Gütersloh

In Gütersloh ist beim Umbau einer alten Hofstelle bis auf das Fachwerk nicht viel übriggeblieben. Um das Gebäude vor eindringendem Wasser zu schützen, wurde die gesamte Fachwerkkonstruktion um etwa 35 cm angehoben. Der Innenausbau erfolgte mit Lehmbaustoffen.

Die im Landschaftsschutzgebiet befindliche, ehe­malige Hofstelle Schmedthenke in Gütersloh bestand vor der Umgestaltung aus einem Haupthaus von 1735 mit zwei nachträglichen Anbauten, einer Scheune von 1927, einem Altenteiler von 1975 und einem etwa 200 Jahre alten, ehemaligen Kötterhaus. Die Mutter des jetzigen Besitzers und Bewohners hatte die Hofstelle 1978 geerbt, ihr Sohn Johannes ist einige Jahre später, nach Abschluss seines Studiums und den ersten Berufsjahren in München, in die Region zurückgekehrt und hat das Haupthaus der Hofstelle als Wohnhaus für sich und seine Familie umgebaut.

Tragende Grundstruktur noch gut erhalten

Das Gütersloher Büro Spooren Architekten und Partner mbB hatte nach umfangreichen Untersuchungen festgestellt, dass die historische und tragende Grundstruktur des Hauptgebäudes noch sehr gut erhalten war. Die beiden Anbauten waren aufgrund unter­dimensionierter Fachwerkkonstruktionen und der unvorteilhaften Anbausituation, die das historische Haupthaus verunstalteten, nicht erhaltenswert.

Das umliegende Gelände hatte sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten um etwa 30 bis 40 cm angehoben. Bei vorherigen Sanierungen waren die verfaulten Holzschwellen des Fachwerkhauses durch einen Beton­sockel ohne Horizontalsperre ausgetauscht worden. Das Erdgeschossniveau lag etwa 15 cm unter dem Gelände. Bei starkem Regen drang  Oberflächenwasser ein. Umliegende Eichen ermöglichten keinen Geländeabtrag, ohne die Wurzeln zu beschädigen.

Bei einer Untersuchung im Jahre 2012 stellte die Untere Denkmalbehörde der Stadt Gütersloh fest, dass das Gebäude keine Denkmaleigen­schaften besitzt. Allerdings haben die Denkmalschützer vermerkt, „dass sich das Gebäude innerhalb einer landschaftsbildprägenden Hofstelle mit gewa­chsenen Strukturen befindet.“

Gebäude angehoben

Das Dreiständerfachwerkhaus wurde von seinen ­maroden Anbauten befreit und erhielt seine ursprünglichen Proportionen zurück. Die ­eigentliche Fachwerkkonstruktion – einschließlich des vorhandenen Dachstuhls – war noch im historischen Zustand und blieb größtenteils erhalten. Um die fehlende Horizontalsperre zu ergänzen und die hölzerne Fachwerkschwelle in originaler Position wieder­herzustellen, wurde das Gebäude um etwa 35 cm angehoben. Hierfür bauten die Handwerkerinnen und Handwerker eine neue Sohle und einen neuen Sockel aus Ziegelmauerwerk auf die vorhandenen Fundamente auf und ergänzten die Fachwerkkonstruktion im unteren Bereich (Stiele und Schwellen) mit Eichenholz. Die dunkle Lackierung am bestehenden, sichtbaren Eichenholz wurde per Sandstrahlen entfernt und erhielt damit wieder ihre natürliche Farbe. Die  Handwerker brachten die Anordnung der Fachwerkkonstruktion in den nachträglich geänderten Bereichen wieder in den historischen Zustand. Die Gefache vermauerten sie mit Lehmsteinen und versahen diese von außen mit einem hellen Putz.

Innenausbau mit Lehm

Für ein gesundes Raumklima und vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit setzte man im Fachwerkhaus überwiegend Lehmbaustoffe von conluto ein. Von Innen sind die Außenwände mit einer Leichtlehminnenschale sowie einem Lehmputz gedämmt. Verantwortlich für die Arbeiten waren die Zimmerei Jan Reckmann aus Steinhagen und Thomas Steiner, Meister und ­geprüfter Restaurator im Maurerhandwerk aus Rietberg. Die Eigenschaften der Lehmbaustoffe ergänzen sich mit denen des bestehenden Fachwerkholzes gut und schaffen so ein angenehmes Raumklima.

Dielen und Fachwerk sind sichtbar geblieben

Neue Fenster- und Türöffnungen sowie eine Loggia im Bereich der ehemaligen Esslucht wurden im Raster der ursprünglichen Fachwerkkonstruktion ein­gebracht. Eine neue Treppe befindet sich im Bereich der ehemaligen Waschlucht. Beide Luchtbalken sind erhalten und sichtbar geblieben. Die historische Fachwerkinnenwand (Querwand zwischen Deele und Kammern im hinteren Bereich ab Wasch- und Esslucht) ist wegen ihrer kleinteiligen Struktur zurückgebaut worden und durch zwei neue Deckenbalken aus dem historischen Holz von einem anderen Fachwerkhaus aus der Region ersetzt worden. Ein kleiner Teil dieser Querwand ist zwischen WC und Treppen erhalten ­geblieben. Die Deelenwände wurden komplett freigelegt, gereinigt und die Gefache teilweise mit Lehmsteinen vermauert und mit conluto-Lehm verputzt.

Die historischen Dielen auf den Deckenbalken sind erhalten geblieben und von unten sichtbar. Quer zu den Deckenbalken ist auf ihnen eine Lagerholzdecke eingebracht worden und das Dach hat zwei neue, teilweise sichtbare Mittelpfetten erhalten. Die Sparren wurden durch einen Beisparren für die erforderliche Dämmdicke ergänzt. Sowohl die Lagerholzdecke als auch die Dachschrägen wurden mit Cellulose ausgeblasen. Auf die Lagerholzdecke brachten die Handwerker in Trockenbauweise einen Heizestrich auf. Die Giebel erhielten eine vertikale Eichenholzverschalung in Anlehnung an das historische Erschein­ungsbild und werden durch schmale moderne Fenster­öffnungen für den neuen Dachgeschossausbau ergänzt. Zur besseren Belichtung und Nutzbarkeit des Dachgeschosses gibt es auf  der Ostseite zwei moderne Flachdachgauben. Im Erdgeschoss des Fachwerkhauses befindet sich ein großzügiger Wohn-, Koch- und Essbereich mit einem zentralen Kaminofen, ein Hauswirtschaftsraum, ein WC sowie eine moderne Treppenanlage. Im Dachgeschoss gibt es drei Schlafräume und zwei Bäder.

Anbau als Garage und zusätzlicher Wohnraum

Das Fachwerkhaus wurde durch einen modernen und unterkellerten, zweigeschossigen Flachdachanbau ergänzt. Das verbindende Glied zwischen den zwei Baukörpern ist ein eingerückter, eingeschossiger Flachdachbaukörper, dessen Dach als Dachterrasse von beiden Obergeschossebenen genutzt wird. Im beheizten Keller befinden sich der Haustechnikraum sowie der Hobby- und Abstellraum. Im Erd­geschoss sind die Doppelgarage sowie ein ­weiterer Abstellraum, im Obergeschoss zwei Gäste- beziehungsweise zukünftige Kinderzimmer, ein Badezimmer sowie ein Arbeits-/Gästezimmer. Die zwei Flachdachgauben an der Ostseite des Fachwerk­gebäudes und der zweigeschossige Anbau haben annähernd die gleiche Höhe und bilden eine harmonische Einheit.  

Fazit

Durch den Um- und Anbau wird der Gestaltungswert des die Kulturlandschaft prägenden Hauptgebäudes verbessert: Dieses erhält wieder mehr Ausdruck durch den Rückbau der zwei Anbauten und es ergibt sich durch den modernen Anbau ein spannungsvolles ­Zusammenspiel zwischen Historie und Moderne.

Autor

Stefan Volkamer ist für Marketing & Kommunikation bei der Firma conluto in Blomberg zuständig.

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